Regierung bastelt an Digitalumbau
Gabriel präsentiert Masterplan auf der Cebit, Nahles will »Wahlarbeitszeit«
Hannover/Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert mehr Tempo beim digitalen Umbau der Wirtschaft in Europa ein. »Die Zeit drängt«, sagte die Kanzlerin bei ihrem traditionellen Rundgang auf der Technologiemesse Cebit am Dienstag in Hannover. Die Verschmelzung heutiger Angebote mit dem Internet müsse schneller kommen, denn das Potenzial für mehr Effizienz sei beträchtlich.
Die Digitalisierung der Wirtschaft ist ein zentrales Thema der diesjährigen Cebit. Dazu gehören die Vernetzung von Maschinen und Alltagsgegenständen, die Auswertung ihrer Daten und daraus entstehende neue Geschäftsmodelle. Die Messe wurde zuletzt stark auf Fachbesucher ausgerichtet, deswegen geht es in Hannover noch bis Freitag vor allem um Produkte für Unternehmen.
Die Bundesregierung stellte auf der Cebit am Dienstag neue Maßnahmen vor, um die Start-up-Landschaft zu beleben. Das Wirtschaftsministerium und die staatliche Förderbank KfW starteten einen Investitionsfonds von 225 Millionen Euro für Firmen in der frühen Wachstumsphase. Expandierende Unternehmen sollen zudem leichter an Wagniskapital über Fondsinvestoren kommen. Dafür stehen weitere 500 Millionen Euro bereit.
Zum Messeauftakt am Montag hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bereits einen Zehn-Punkte-Plan vorgestellt, mit dem ein Rückstand Deutschlands beim digitalen Wandel gegenüber den USA oder Asien verhindert werden soll. Zur »Digitalen Strategie 2025« gehören ein Fokus auf Glasfaserleitungen und der Aufbau einer Digitalagentur als Schaltzentrale. Die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur werden auf 100 Milliarden Euro beziffert, die vor allem von privaten Investoren kommen sollten. Vorgeschlagen wird aber auch ein Investitionsfonds von rund 10 Milliarden Euro für Netze im ländlichen Raum. Es gehe darum, »wie wir als Europäer wettbewerbsfähig bleiben in dieser datengetriebenen Ökonomie«, so Gabriel in Hannover. Er warnte die Industrie vor Rückschlägen durch zögerlichen Netzausbau und Fachkräftemangel. Die Digitalisierung brauche Menschen aus aller Welt. »Sie ist weltoffen und liberal, wie wir uns unser Land vorstellen«, betonte der SPD-Politiker.
Die Realität ist eine andere: Laut einer Umfrage des Ingenieursverbandes VDI lagern deutlich mehr Unternehmen in Deutschland IT-Projekte aus, weil sie keine passenden Fachleute finden. In diesem Jahr waren es demnach gut 52 Prozent, vor einem Jahr lag der Anteil noch bei knapp unter 40 Prozent. »Das muss uns zu denken geben«, warnte der VDI-Bereichsleiter Dieter Westerkamp. Das Know-how »über Dinge, die die digitale Transformation ausmachen«, werde so ausgelagert.
Für das diesjährige Cebit-Partnerland Schweiz warnte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann in Hannover vor einer Überregulierung der digitalen Wirtschaft. »Während wir uns gegen alle möglichen Gefahren absichern, riskieren wir, dass immer mehr Wertschöpfungsketten nach Kalifornien abwandern«, sagte er. Freiheit sei die Voraussetzung für Kreativität.
Kein Wunder also, dass über neue Regelungen für die Arbeitswelt fernab der Cebit diskutiert wurde. Arbeitnehmer in Deutschland sollten künftig weitaus flexibler als bisher arbeiten können, sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles bei einer Veranstaltung zur Zukunft der Arbeit am Dienstag in Berlin. Der SPD-Politikerin schwebt eine Arbeitswelt mit Homeoffice, mehr Freiheiten, aber auch Schutz vor.
Der Vollzeit-Einsatz am festen Arbeitsplatz hat ihrer Ansicht nach für viele ausgedient. »Die Technik bietet inzwischen immer mehr Möglichkeiten, zeitlich und räumlich flexibel zu arbeiten«, so Nahles. Viele wären gerne häufiger im Homeoffice tätig, doch in vielen Betrieben herrsche Anwesenheitskultur. Nahles kündigte ein »Wahlarbeitszeit«-Modell mit verschiedenen Bausteinen an. Die Arbeitsministerin will bis zum Spätsommer einen »Arbeitszeitdialog« mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Kirchen führen. Konkrete Vorschläge zur Gestaltung der Arbeitswelt will Nahles in diesem Jahr in einem Weißbuch unter dem Motto »Arbeit 4.0« zusammenfassen. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.