Riga schiebt Antifaschisten ab

Lettische Veteranen der Waffen-SS marschieren am »Tag der Legionäre«

  • Lothar Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Einen Aufmarsch zu Ehren von Letten in der Waffen-SS gab es Mittwoch in Riga - und Abschiebungen für deutsche Antifaschisten. Die russische Botschaft bezeichnete den Marsch als »Schande für Europa«.

Ohne Protest ging auch diesmal der seit 1991 alljährlich in Riga stattfindende Aufmarsch von rund 1000 Personen zu Ehren der lettischen Einheiten der Waffen-SS nicht ab. Deutsche und lettische Antifaschisten demonstrierten gemeinsam dagegen, blieben allerdings vom Veranstaltungsort am »Freiheitsdenkmal« streng abgeschirmt. Auch der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Efraim Zuroff, protestierte. Die russische Botschaft bezeichnete den Marsch als »Schande für Europa«.

Im Zentrum der lettischen Hauptstadt wird traditionell mit einem Kirchgang der SS-Veteranen und ihrer Anhänger unter nationalistischen Fahnen und Symbolen an die Aufstellung der lettischen Legion am 16. März 1943 erinnert und ihrer getöteten Mitglieder gedacht.

Traditionell reisen auch deutsche Antifaschisten zur Unterstützung des Protestes zu diesem »Tag der Legionäre«, der wegen internationalen Drucks seit 1998 kein Feiertag mehr ist, in die lettische Hauptstadt. Sie unterstützen die Initiative »Lettland ohne Nazismus«, eine von jüdischen Menschen gegründete antifaschistischen Organisation.

Die Teilnahme an der Gegenkundgebung am Mittwoch blieb jedoch mehreren Mitgliedern der VVN-BdA in diesem Jahr verwehrt. Die Geschäftsführer der Bundesvereinigung, Thomas Willms, und der Berliner VVN-BdA, Markus Tervooren, sowie mit Günter Hoppe, Werner Müller und dem Autor drei weitere Mitglieder der Organisation wurden beim Versuch der Einreise am Flughafen von Riga verhaftet. Der VVN-BdA-Vorsitzenden Cornelia Kerth war schon in Hamburg der Einstieg in ein Flugzeug der Baltic Airlines nach Riga verweigert worden.

Bei der Ankunft auf dem Flughafen Riga wurden am Dienstag gegen Mittag bei der Passkontrolle fünf der aus Berlin angereisten Antifaschisten aussortiert. Nach Abgleich mit einer »Schwarzen Liste« wurden sie in Räume der Grenzpolizei abgeführt. Die Begründung war in einer dreiseitigen Verfügung des Innenministeriums, mitunterzeichnet vom Außenminister, bereits Tage vorher ergangen.

Den »unerwünschten Personen« wurde erklärt, sie würden die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Lettland nach Paragraph 51 des Einwanderungsgesetzes gefährden und seien deshalb mit einem Einreiseverbot bis zum 16. März zu belegen. Eine Option sei die sofortigen Ausreise, andernfalls erfolge eine Internierung in einem Lager für illegale Ausländer.

Die Fünf entschieden sich gegen eine Ausreise und wurden in einem Gefangenentransporter und gelegentlich unter dem Geheul eines Martinshorns zu einem Fernbus nach Berlin gebracht. Ein Grenzbeamter erläuterte den Auflagenbescheid und teilte mit, dass jeder eine Fahrkarte für den Fernbus nach Berlin erhält - eine »privilegierte« Abschiebung. »Finsteres nationales Gehabe in einem freien Europa« war der Kommentar eines der Festgehaltenen.

Die Liste »unerwünschter« Antifaschisten geht zurück auf den 15. März 2014, als eine Delegation von Antifaschisten auf dem Weg nach Riga von der lettischen Grenzpolizei festgehalten worden war. Damals wurden nicht nur Plakate registriert und der Reisebus gründlichst durchsucht, sondern auch eine Liste der Teilnehmer angelegt.

In Riga zählte die jüdische Bevölkerung 1933 rund 44 000 Menschen, sie wurden ab Juli 1941 im Ghetto interniert. Hinzu kamen deportierte Juden vor allem aus Berlin, Hannover, Köln und Wien. Zehntausende Juden, Kriegsgefangene und Widerstandskämpfer wurden in Riga und seiner Umgebung ermordet.

Etwa 140 000 Letten waren während des Zweiten Weltkriegs Mitglieder der »Lettischen SS-Freiwilligenlegion«. Ehemalige Angehörige der Waffen-SS beziehen für diese Zeit eine Altersrente aus der Bundesrepublik Deutschland.

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