Rousseff warnt vor Putsch in Brasilien
Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin eingeleitet / In Korruptionsskandal um Ölkonzern sollen mehr als 60 Politiker verwickelt sein
Brasília. Brasilien rutscht immer tiefer in eine schwere politische Krise. Nach der Ernennung von Ex-Präsident Lula da Silva zum Kabinettschef der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff lehnte ein Bundesrichter dies in einer vorläufigen Entscheidung ab. Er begründete das mit Korruptionsermittlungen gegen Lula. Der frühere Justizminister José Eduardo Cardozo sagte der Zeitung »Folha de Sao Paulo«, Lula sei zwar nun formell Minister, könne aber vorerst nicht auf einige Privilegien zählen: diese könntenihn vor Untersuchungshaft und einem Korruptionsprozess bewahren. Als Minister mit allen Privilegien wäre nur der Oberste Gerichtshof zuständig.
Und nicht mehr der rigoros ermittelnde Richter Sérgio Moro - er führt die Ermittlungen im größten Korruptionsskandal Brasiliens. Fast 60 Politiker sollen in Schmiergeldzahlungen bei Auftragsvergabendes halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras verwickelt sein. Von der linken Arbeiterpartei bis hin zu führenden Oppositionspolitikern. Moro ordnete auch den Mitschnitt von Telefonaten Lulas an, auch ein Gespräch mit Rousseff wurde publik und an Medien weitergereicht. Es legt den Verdacht nahe, dass Lula nicht nur der Regierung beim Überwinden der Rezession und politischen Problemen helfen, sondern vor Attacken der Justiz geschützt werden soll.
Zunehmend eskaliert der Konflikt zwischen Judikative und Exekutive. Rousseff sagte in ungewöhnlich scharfer Form: »So fangen die Staatsstreiche an.« Venezuelas sozialistischer Staatschef Nicolás Maduro forderte »weltweite Solidarität« mit Rousseff und Lula. In Brasilien werde von Medien und Justiz an einem Staatsstreich gearbeitet, meinte Maduro. Im ganzen Land wächst der Unmut gegen Lula und Rousseff, weil die Ernennung zum Minister als Flucht vor der Justiz gesehen wird. Im Abgeordnetenhaus wurde eine 65-köpfige Sonderkommission gebildet, die ein Amtsenthebungsverfahren der bis Ende 2018 gewählten Rousseff koordinieren soll.
Durch die Nominierung Lulas scheint ihr nicht der erhoffte Befreiungsschlag zu gelingen - eher im Gegenteil. Es kam am Donnerstagabend erneut zu Demonstrationen in mehreren Städten. Für Spekulationen über einen kurz bevorstehenden Koalitionsbruch sorgte das Fernbleiben von Brasiliens Vizepräsident Michel Temer bei Lulas Amtseinführung am Donnerstag - er ist Parteichef der PMDB (Partido do Movimento Democrático Brasileiro), dem wichtigsten Koalitionspartner der seit 2003 regierenden linken Arbeiterpartei. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.