Umwelthilfe: Dobrindt betreibt Auto-Lobbyismus
Organisation wirft Verkehrsminister vor, im Dieselskandal untätig zu sein / Prüfergebnisse zeigen demnach »alarmierende Stickoxidwerte« bei verschiedenen Modellen / Smart soll mehr Abgase in die Luft blasen als ein Lkw
Berlin. Ein halbes Jahr nach Bekanntwerden von Abgasmanipulationen bei VW und anderen Fahrzeugherstellern hat die Deutsche Umwelthilfe den zuständigen Behörden weitgehende Untätigkeit vorgeworfen. Die Umweltorganisation kündigte am Montag in Berlin deshalb an, ab April eigene Abgasmessungen an Pkw auf der Straße durchzuführen.
Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, warf Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vor, er verweigere Parlament und Öffentlichkeit die Auskunft über die seit November vorliegenden Straßenmessungen bei insgesamt 56 untersuchten Diesel-Fahrzeugen. Außerdem verhalte sich das dem Ministerium unterstellte Kraftfahrt-Bundesamt wie ein »Bettvorleger der Automobilindustrie« und sei als Prüfbehörde ungeeignet.
Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums wies am Montag den Vorwurf der Intransparenz zurück. Umfangreiche und strenge Nachprüfungen im Labor und auf der Straße seien im Gange. Vor Abschluss der Tests würden allerdings keine Ergebnisse kommentiert. Laut Umwelthilfe sterben jährlich etwa 10.000 Menschen an den Folgen von Diesel-Emissionen.
Die Umweltorganisation kritisiert auch das Vorgehen der Justiz. So hat die Umwelthilfe nach einer Untätigkeitsklage gegen das Kraftfahrt-Bundesamt im Zusammenhang mit VW-Rückrufauflagen vom zuständigen Verwaltungsgericht lediglich eine über 581 Seiten komplett geschwärzte Akte erhalten. Dies sei eine Verhöhnung der Bürger, sagte Resch. Die Unkenntlichmachung der Akte sei auf Antrag von VW erfolgt, hieß es. Nichtsdestotrotz habe das Gericht die Unterlagen nur »zur einwöchigen Einsicht« zur Verfügung gestellt.
Trotz Klageandrohungen der Autoindustrie veröffentlichte die Umwelthilfe am Montag neue Prüfergebnisse eines in ihrem Auftrag getesteten Smartfortwo CDI. Beim »kleinsten Serien-Diesel der Welt« seien alarmierende Stickoxidwerte (NOx) gemessen worden, sagte der unabhängige Verkehrsexperte Axel Friedrich. Sie lagen fast vier Mal über den Grenzwerten eines 28-Tonnen-Lkw, ebenfalls vom Hersteller Daimler (Actros 1842, Euro 6).
Die Untersuchungen fanden im Februar und März 2016 bei der Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule in der Schweiz statt. Dabei überschritt der Smart bei allen auf dem Rollenprüfstand gefahrenen Tests mit betriebswarmem Motor die Euro-5-Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß erheblich. Während beim Lkw laut Kraftfahrt-Bundesamt auf der Straße 158 mg NOx pro Kilometer gemessen worden seien, waren es beimSmart 589 mg pro Kilometer. Im Gegensatz zu Lkw sind bei Pkw keine Straßenmessungen vorgeschrieben, hieß es zur Begründung der Umwelthilfe. In den USA verlangen die Umweltbehörden dagegen, »dass die Diesel-Pkw auf der Straße die Grenzwerte einhalten oder eben zurückgekauft werden müssen«, sagte Resch.
Die Deutsche Umwelthilfe hat nach eigenen Angaben seit Oktober 2015 bei allen eigenen Untersuchungen von Autos verschiedener Hersteller Hinweise auf Abschalteinrichtungen gefunden. Sie sollen bei leicht höheren oder niedrigeren Betriebstemperaturen als der sogenannten Prüfraumtemperatur die Abgasreinigung im Pkw vermindern. Inzwischen hätten neben der VW-Gruppe auch andere Automobilhersteller die Verwendung von Abschalteinrichtungen eingeräumt. Damit sollten Beschädigungen am Motor verhindert werden, werde zur Begründung angeführt. Resch sagte dagegen, die Fahrzeuge müssten unter allen üblicherweise auftretenden Temperaturen und nicht nur zwischen 20 und 30 Grad Celsius »eine funktionierende Abgasreinigung vorweisen«.
Hinweise auf mögliche Abschalteinrichtungen hat die Umwelthilfe unter anderem beim Opel Zafira, Renault Espace, Fiat 500x, Mercedes-Benz C 200 CDI und C 220 CDI sowie beim Smart Diesel gefunden. Als Folge der Veröffentlichung eigener Testergebnisse erlebe er »bis heute andauernde, heftigste Drohungen der deutschen Autobauer, aber insbesondere von Daimler«, betonte Resch. epd/nd
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