Sozialhilfe »intelligent« gekürzt
Dänische Regierung setzt mit Neuregelung Arbeitslose unter Druck
Die Reform des Arbeitsmarktes war eine der zentralen Themen der liberalen Venstre-Partei im dänischen Wahlkampf 2015. Innerhalb weniger Monate ist es ihr aus der Position einer Minderheitsregierung heraus gelungen, eine Reihe wichtiger Neuregelungen durchzusetzen. Zuletzt wurde mit Unterstützung der übrigen bürgerlichen Parteien eine »intelligente Obergrenze für die Sozialhilfe« durchgesetzt. Zwar bleiben die allgemeinen Sätze für die Sozialhilfe unverändert, damit Berechtigte nicht unter die Armutsgrenze fallen, aber mögliche Zuschläge etwa für Miete und Heizung werden, gestaffelt nach Familienstand und Anzahl der Kinder, auf eine Höchstgrenze festgelegt. Zuschüsse für Kindertagesstätten sind davon ausgenommen. Wer länger als ein Jahr Sozialhilfe empfangen hat, muss künftig außerdem 225 Stunden allgemeiner Lohnarbeit nachweisen. Eine Regel, die insbesondere Migrantinnen hart treffen wird, da sie nur selten in Lohnarbeit stehen.
Darüber hinaus müssen Jobcenter und Kommunen künftig streng kon-trollieren, dass Sozialhilfeberechtigte intensiv Arbeit suchen. Spätestens nach drei Monaten müssen sie nützliche Arbeit bei öffentlichen Arbeitgebern verrichten, um weiterhin empfangsberechtigt zu sein. Mehrfaches Fernbleiben wird mit drei Monaten Sperre bestraft. Personen unter 30 Jahren ohne Ausbildung müssen schnellstmöglich eine solche beginnen und bekommen statt Sozialhilfe nur eine Ausbildungshilfe in Höhe des öffentlichen Stipendiums.
Die Reformpläne stießen auf lautstarke Proteste der Mitte-Links-Parteien sowie zahlreicher Sozialverbände. Diese fürchten, dass eine neue Gruppe Armer in einem Land entsteht, das in den vergangenen Jahrzehnten viel Energie für den Ausgleich sozialer Unterschiede verwendet hat. Bürgerliche Politiker dagegen argumentieren, dass vielen Sozialhilfeberechtigten der Anreiz fehle, Arbeit zu suchen. Die sozialdemokratische Partei, die gegen die Reform stimmte, sicherte indes nicht zu, diese bei einem Machtwechsel zurückzunehmen. Man müsse die künftigen ökonomischen Realitäten abwarten, hieß es aus der Führung.
Weiter verhandelt wird derweil noch über den Personenkreis, der lediglich Integrationshilfe beziehen kann. Die bürgerliche Parlamentsmehrheit will künftig alle Migranten von der höheren Sozialhilfe ausnehmen, die weniger als sieben der letzten acht Jahre im Land gelebt haben. Damit soll Dänemark als Einwanderungsland unattraktiver werden. Ist jedoch ein Arbeits- oder Praxisplatz in Sicht und fehlt es an bestimmten Qualifikationen, können Migranten künftig Ausbildungshilfe beziehen. Diese zwischen Regierung, Unternehmerverbänden und den meisten Gewerkschaftsbünden vereinbarte Regelung ist Neuland für Dänemark, da insbesondere die Gewerkschaften einen Niedriglohnarbeitsmarkt befürchten. Die große Zahl neu angekommener Geflüchteter und die damit verbundenen Kosten rangen den Gewerkschaften jedoch die Zustimmung zu einer Übergangsordnung ab.
Trotz der zahlreichen Details der Arbeitsmarktreform ist der Kurs der Regierung klar: Der Wirtschaft sollen ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, während die öffentlichen Kassen entlastet werden.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.