Parlamente stören beim Freihandel

Das transatlantische Abkommen CETA soll ohne Zustimmung der nationalen Volksvertretungen vorläufig in Kraft treten

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
SPD-Chef Sigmar Gabriel macht sich in der Freihandelspolitik unglaubwürdig. Sein Ministerium sieht kein Problem darin, dass Abgeordnete bei wichtigen Entscheidungen zunächst übergangen werden.

Die Skepsis gegenüber TTIP und CETA ist hierzulande weiterhin groß. Anlässlich des Besuchs von US-Präsident Barack Obama werden am 23. April in Hannover Zehntausende erwartet, die gegen die transatlantischen Freihandelsabkommen demonstrieren werden. Ein schriftlicher Bericht aus dem Bundeswirtschaftsministerium zu CETA von Mitte März bestätigt nun diejenigen, die in dem Abkommen zwischen der EU und Kanada einen Angriff auf demokratische Standards sehen. In dem Schreiben heißt es, dass die Bundesregierung davon ausgeht, dass die EU-Kommission dem Ministerrat neben der im Herbst erwarteten Unterzeichnung von CETA auch einen Beschluss zur vorläufigen Anwendung des Abkommens empfehlen wird.


Bei diesem Verfahren würden die nationalen Parlamente in den EU-Mitgliedsstaaten zunächst übergangen werden. Die Abgeordneten dürften erst dann über CETA abstimmen, wenn der Vertrag bereits in Kraft getreten ist. Für das Ratifikationsverfahren in den Mitgliedstaaten sind zwei bis vier Jahre vorgesehen. Trotzdem spricht die Bundesregierung von einer »üblichen Praxis«. Denn der Ratsbeschluss solle sich nur auf die Teile des Abkommens beziehen, die allein in EU-Zuständigkeit liegen. Hierfür sei auch eine Zustimmung des Europäischen Parlaments notwendig.


Dagegen nannte es der Europa- und Völkerrechtler Wolfgang Weiß von der Uni Speyer in einem Gutachten, das die Verbraucherorganisation Foodwatch veröffentlicht hat, »verfassungsrechtlich wie demokratiepolitisch unakzeptabel, dass die vorläufige Anwendung eines Abkommens an den Parlamenten vorbei erfolgt«.


Strittig zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission ist, welche Bereiche von der vorläufigen Anwendung ausgenommen werden sollen, weil mitgliedsstaatliche Kompetenzen betroffen sind. Dies trifft nach Ansicht der deutschen Regierung etwa auf den sogenannten Investitionsschutz zu. Nach dem Freihandelsabkommen sollen Konzerne die Möglichkeit erhalten, Staaten auf Schadensersatz zu verklagen, wenn sie durch Gesetze ihre Gewinne geschmälert sehen. Als Konsequenzen drohen unter anderem Absenkungen von Umwelt- und Sozialstandards.


Die geplante undemokratische Entscheidung zu CETA könnte auch zum Problem für den SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel werden. Denn er hatte den Freihandelskritikern in seiner Partei Zugeständnisse machen müssen. In ihren Beschlüssen hatte die SPD etwa die Beteiligung der Parlamente an den Verhandlungen und deren Zustimmungsvorbehalt betont.


Diese Zusagen wird Gabriel nun offenbar nicht vollständig einhalten. Wenig überzeugend sind zudem die von ihm vorangetriebenen Reformen beim auch in großen Teilen der SPD kritisch gesehenen »Investitionsschutz«. Nach einer Überarbeitung von CETA soll es keine privaten Schiedsgerichte mehr geben, vor denen Konzerne gegen Staaten klagen können. Stattdessen wird ein ständiger Gerichtshof mit 15 Mitgliedern eingerichtet, die von Kanada und der EU ernannt werden. Die Sozialdemokraten werden in den kommenden Monaten bei einem Parteitag darüber abstimmen, ob ihnen diese kosmetische Änderung ausreicht.

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