Das kauf ich dir ab

Vor allem junge Menschen treffen immer mehr Kaufentscheidungen online - Für »authentische« Youtube-Stars gehört das zum Geschäftsmodell

  • Florian Brand
  • Lesedauer: 3 Min.

Konzernriesen werben immer aggressiver auf Online-Plattformen und in sozialen Medien wie Youtube oder Facebook, um ihre Produkte zu vertreiben. »Reichweite« heißt das Zauberwort, was in diesem Zusammenhang immer wieder gebraucht wird. Um eine möglichst hohe Reichweite zu erzielen, werden seit geraumer Zeit Youtube-Blogger*innen als Multiplikatoren eingesetzt - also Personen des öffentlichen Lebens, die sich aufgrund der Präsentation eines besonderen Lifestyles in sozialen Netzwerken hervor getan haben und für die Zielgruppe der zehn bis 17-jährigen sowas wie Idole sind.

Für die Youtube-Stars wird es immer schwerer durch Klicks Geld zu verdienen, denn der Markt an selbstproduzierten Produktreviews, Schminktipps, Lebensratgebern oder »Lets Plays« (d.h. Videos, die zeigen, wie andere Menschen Computerspiele spielen) ist dank klick-hungrigem Nachwuchs zum Bersten voll. Das neue Stichwort lautet daher Product Placement. So ist diese Form der Schleichwerbung mittlerweile fast schon gängige Praxis bei großen und kleinen YouTubern: Deren herkömmliches Geschäftsmodell, vom Videodienst pro Klick Geld ausgezahlt zu bekommen, rentiert sich längst nicht mehr.

Eine Studie der PR-Agentur »Faktenmotor« zeigt, dass fast jeder dritte Social-Media-Nutzer bereits Produkte und Dienstleistungen gekauft hat, weil sie im Internet beworben wurden. Mehr als jeder vierte ließ sich dabei angeblich von Werbung in Sozialen Netzwerken zum Kauf überreden. Laut der Studie ist Youtube (88 Prozent) am beliebtesten unter den Social-Media-Nutzern, dicht gefolgt von Facebook (87 Prozent). Youtube-Stars wie Sami Slimani oder Bianca Heinicke alias BibisBeautyPalace posten hier Produkttipps ihrer eigenen oder fremder Marken.

Doch schon lange kritisieren Verbraucherschützer, dass speziell der Videodienst Youtube Werbung und Inhalte nicht eindeutig von einander trennt. Für Jan Böhmermann, einem der prominentesten Kritiker von Youtubern, geht es den Jugendidolen lediglich darum, ihren Fans das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Für Werbeagenturen spielen diese Internet-Stars eine immer größere Rolle in ihrer Vermarktungsstrategie, denn die Jugendlichen bis Mittzwanziger auf den Online-Portalen reden Jugendslang, repräsentieren ihre eigenen Wertvorstellungen und geben sich authentisch, wie der Junge oder das Mädchen von nebenan. Sogenannte Mode-, Beauty- und Lifestyle-Blogger*innen preisen beispielsweise in selbstgedrehten, hochauflösenden Vlogs (Video-Blogs) aus dem heimischen Wohnzimmer heraus ihre vermeintlich objektive Meinung an, beispielsweise zu Make-Up-Produkten bekannter Marken. Selten wird in den Videos ersichtlich, dass es sich hierbei um Markenplatzierung handelt. Ob die Meinung über das Produkt, die verbreitet wird, wirklich so unvoreingenommen ist, wie behauptet, bleibt ebenfalls fragwürdig.

Die Verbraucherschützer monieren, dass Kinder und Jugendliche unvoreingenommen die Meinung ihrer Idole übernehmen und kaufen, was online gerade als Trend angepriesen wird. Für die werbenden Youtuber spült es zusätzlich Geld in die eigene Tasche, wenn beispielsweise ein Artikel über den in der Youtube-Beschreibung mitgelieferten Link gekauft wird.

Dass die Taktik der PR-Strategen aufzugehen scheint, belegt die Studie von »Fakenmotor« ebenfalls: seit 2012 ist der Einfluss Sozialer Medien auf Kaufentscheidungen massiv angestiegen. Kaufte vor vier Jahren noch etwa jede*r vierte Social-Media-Nutzer*in auf Werbeanreiz ein Produkt, ist es heute schon jede*r dritte. Im gleichen Zeitraum stieg auch die Zahl der durch Werbung im Internet ausgelösten Kaufentscheidungen von 17 auf 27 Prozent. Ebenfalls jede*r vierte Social-Media-Nutzer*in lies sich von Blogs und Youtube-Kanälen animieren, Geld für ein Produkt auszugeben.

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