Deutschland abgehängt

Bundesregierung denkt über Kaufprämien nach

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Um rund 70 Prozent nahm die Zahl der Elektroautos In Deutschland im vergangenen Jahr zu. Doch trotz dieses Booms fielen die rund 44 000 Strom-Pkw, die Ende 2015 auf hiesigen Straßen fuhren, kaum ins Gewicht: Von den 3,2 Millionen neuzugelassenen Autos waren nur 0,7 Prozent E-Autos. Im Vorreiterland Norwegen betrug der Anteil 17 Prozent.

Die Bundesregierung möchte das Elektroauto aus seinem Nischendasein holen: Eine Million Fahrzeuge sollen im Jahr 2020 hier leise herumschnurren, propagieren die Minister für Wirtschaft und Verkehr regelmäßig auf den Elek-tromobilitätsgipfeln mit Vertretern der Autoindustrie und Energiekonzerne. Da diese Wünsche bislang wirkungslos blieben, wird in der Regierung seit Monaten unter anderem über eine Kaufprämie für E-Autos in Höhe von 5000 Euro diskutiert. In anderen Ländern wie China, Großbritannien und Frankreich gibt es bereits solche staatlichen Subventionen.

Dass Schwarz-Rot über eine Förderung von Elektroautos nachdenkt, hat wenig mit Umweltbewusstsein zu tun: Der Ladestrom kann aus Windrädern kommen, aber auch aus Kohlekraftwerken. Vielmehr sorgt sich die Regierung um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Autoindustrie, die den Trend lange verschlafen hat. Vor allem bei der Batterieherstellung ist man gegenüber Herstellern aus Asien weit im Hintertreffen.

Der Automobilexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach führt die hierzulande geringe Nachfrage auf fehlende Herstellerinnovationen und mangelnde Attraktivität zurück. Es fehlten technologisch ausgereifte Elektromodelle, die aus Sicht der Kunden im Wettbewerb mit Benzin- oder Dieselfahrzeugen bestehen könnten. Nur zehn Prozent aller Neuerungen in der Branche sind laut dem Experten der reinen Elektromobilität zuzuordnen, dagegen entfielen noch immer 71 Prozent auf konventionelle Antriebe. Und so ist es kein Wunder, dass deutsche Konzerne international hinterherhinken: Die Liste der absatzstärksten Elektroautohersteller wird laut CAM von anderen angeführt: dem japanischen Autobauer Nissan, dem chinesischen Konzern BYD und von Tesla aus den USA. Insgesamt wurden weltweit im vergangenen Jahr 650 000 Elektroautos verkauft.

Die Umweltverbände sehen das E-Auto-Ziel eher skeptisch. Statt der Förderung des motorisierten Individualverkehrs egal mit welchem Antrieb fordern sie Maßnahmen zugunsten von Bus und Bahn sowie alternativer Mobilitätskonzepte. Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) kritisiert, dass sich die Bundesregierung in der Debatte um die notwendige Förderung der Elektromobilität auf das E-Auto beschränke und sich einer echten Verkehrswende im Sinne des Klimaschutzes verweigere. »Elektrofahrzeug ist nicht allein E-Auto«, meint VCD-Sprecher Gerd Lottsiepen. E-Bikes, elektrisch angetriebene Lastenfahrräder und elektrifizierte Bahnen gehörten ebenso dazu. Und wer mit dem E-Bike statt mit dem E-Auto fahre, verbrauche auch viel weniger Strom. Kurt Stenger

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