Die EU verkauft ihre Seele
Scharfe Kritik am Pakt über Zwangsabschiebungen von Flüchtlingen in die Türkei
Berlin. Er sei »optimistisch, dass die Verteilung klappt«, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz am Wochenende. Diese Frau aus dem Flüchtlingslager Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze scheint solche Zuversicht nicht zu teilen. Hunderte protestieren seit Tagen auf den Ägäis-Inseln Lesbos und Chios gegen Massenabschiebungen in die Türkei, in ihren Augen »Deportationen«. Sie sollten am Montag beginnen, nachdem das Athener Parlament dem Deal zwischen EU und Ankara seinen Segen gegeben hat. Doch die Stimmung ist explosiv, nicht nur unter den Migranten. Auch in der Türkei brodelt es; in der Hafenstadt Dikili lehnten Demonstranten die Rückführungsaktion lautstark ab.
Danach will man all jene zurückschicken, die seit 20. März in Griechenland eingetroffen sind, kein Asyl beantragen oder keines erhalten. 500 Menschen sollen heute von Beamten der EU-Grenzschutzagentur Frontex auf Schiffe verfrachtet werden. Im Gegenzug verspricht die Union, für jeden in die Türkei abgeschobenen Syrer einen anderen auf legalem Wege aufzunehmen. Bis zu 72 000 Menschen will man so Zuflucht gewähren - aber auch in vielen EU-Staaten wächst der Widerstand. In Hannover werden heute die ersten 35 Migranten erwartet. Die grüne Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth verlangte, auf die Abschiebungen zu verzichten; die EU verschließe die Augen vor der Verzweiflung der Flüchtlinge und verkaufe ihre Seele. LINKEN-Parteichefin Katja Kipping nannte das Abkommen eine »Verabredung zum Sterbenlassen«. Scharfe Kritik kam auch vom UN-Flüchtlingssonderberichterstatter Peter Sutherland: »Massenabschiebungen ohne Rücksicht auf individuelle Rechte sind illegal.« nd/Agenturen Seite 5
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