Hessens SPD sehnt sich nach Eichels Zeiten

Schäfer-Gümbel pflegt nicht nur nostalgische, sondern auch einseitige Sicht auf die Regierungszeiten vor 25 Jahren

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
In schwierigen Zeiten neigen Politiker oftmals zum nostalgischen Rückblick. Dies ist offenbar der Grund für die Erinnerungen, die die hessische SPD ihrem Regierungsantritt vor 25 Jahren widmete.

Der hessische SPD-Landes- und Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel ließ es sich am Dienstag nicht nehmen: Bei einer mit ihrem Thema etwas einsam wirkenden Pressekonferenz erinnerte er an ein Jubiläum, das im mittlerweile schwarz-grün regierten Hessen sonst absolut keine Rolle spielt. Die Rede ist von der Wahl des SPD-Politikers und späteren Bundesfinanzministers Hans Eichel zum hessischen Ministerpräsidenten. Vor 25 Jahren fand dieses für Schäfer-Gümbel denkwürdige Ereignis statt.

Eichel war am 5. April 1991 mit den Stimmen von SPD und Grünen im Rücken in die Hessische Staatskanzlei eingezogen. Seine bis 1999 amtierende Regierung habe mit »sozialökologischem Gestaltungsanspruch« das Land acht Jahre lang »erfolgreich regiert und Maßstäbe in Fragen des sozialen Zusammenhalts, der Gleichberechtigung, der Bildungsgerechtigkeit, der Schaffung von Wohnraum und im Umweltschutz gesetzt«, so fasste Schäfer-Gümbel wehmütig die ausgewählte Bilanz zusammen. In kurzem Streifzug schilderte er die Schwerpunkte des Kabinett Eichels und nannte über 70 000 neue Sozialwohnungen, Gesamtschulen, Kinderbetreuung, »Arbeit statt Sozialhilfe«, Verkehrsverbünde und kommunale Bürgerentscheide. Das paritätisch aus Männern und Frauen gebildete Landeskabinett habe mit einem Gleichberechtigungsgesetz »eine bundesweit beachtete Vorreiterrolle eingenommen«, so Schäfer-Gümbel.

Neben Niedersachsen diente in den früheren 1990er Jahren vor allem Eichels rot-grüne Koalition in Hessen als Referenzmodell für den Bund. Dies war auch die erklärte Absicht des grünen Spitzenmanns Joschka Fischer, der 1991 in Wiesbaden unter Eichel zunächst als Vizeregierungschef und Umweltminister diente, 1994 in den Bundestag wechselte und 1998 schließlich Bundesaußenminister und Vizekanzler unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder wurde.

Beide Parteien hatten schon Mitte der 1980er Jahre in Hessen zusammen regiert und waren nun fest entschlossen, einen Koalitionsbruch wie im Februar 1987 um jeden Preis zu verhindern. Der damalige Zwist um eine Betriebsgenehmigung für ein Hanauer Nuklearunternehmen löste vorzeitige Neuwahlen aus und hatte erstmals in der Geschichte des »roten Hessen« ein CDU-geführtes Kabinett zur Folge. Vier Jahre später war das christdemokratische »Interregnum« beendet. Vor dem Hintergrund einer Protestbewegung gegen den Zweiten Golfkrieg hatten SPD und Grüne am Wahlabend Ende Januar 1991 die Nase vorn und schickten CDU und FDP auf die Oppositionsbänke. Von den 40,8 Prozent Zweitstimmen bei der Landtagswahl kann die heutige Hessen-SPD nur träumen.

Nachdem die rot-grüne Konstellation Ende 1998 im Bund etabliert war, schlug in Wiesbaden alsbald ihre letzte Stunde. Anfang 1999 machte der damalige CDU-Landeschef Roland Koch mit einer rassistisch motivierten Unterschriftenkampagne gegen die von der neuen Bundesregierung angedachte Möglichkeit einer »doppelten Staatsbürgerschaft« mobil. In einer aufgeheizten Atmosphäre gewann die CDU und bildete mit der 5,1-Prozent-Partei FDP die neue Regierung. Eichel fiel weich und wechselte nahtlos als Nachfolger des zurückgetretenen Parteichefs Oskar Lafontaine in das Bundesfinanzministerium. Die Landes-SPD sitzt seither in der Opposition.

Es liege ihm fern, Eichels Amtszeit zu verherrlichen, beteuerte Schäfer-Gümbel. Ob er damit jene Gewerkschafter und Bildungsaktivisten besänftigen kann, die einen ganz anderen Blick auf Eichels Regierung pflegen dürften, weil sie damals gegen Ausgabenkürzungen der Landesregierung auf die Straße gingen, Hochschulen besetzten oder sich einen verbalen Schlagabtausch mit einzelnen Ministern lieferten? Oder all jene, die sich an einzelne Skandale und damit einhergehende Ministerrücktritte erinnern? Leichte Kritik wenigstens ließ Schäfer-Gümbel an »umstrittenen« Details der Politik des Bundesfinanzministers Eichel wie etwa der Steuerbefreiung des Verkaufs von Anteilen an Personengesellschaften durchblicken.

Weitgehend in Vergessenheit geraten ist die einstige Renitenz des heutigen Landeschefs. Als Hans Eichel Landeschef war, drohte seinem heutigen Nachfolger 1994 gar der Rauswurf aus der SPD. Damals machte der aufmüpfige Gießener Juso Thorsten Schäfer bundesweit Schlagzeilen, als er publikumswirksam und in einem Anflug von Satire androhte, er werde seinen Hund Lobo vergiften und vor den Landtag legen, falls Hessen keinen Abschiebestopp gegen in der Türkei verfolgte Kurden verfüge. Eichel verlangte die Einleitung eines Parteiordnungsverfahrens wegen parteischädigenden Verhaltens, das Monate später allerdings eingestellt wurde.

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