Wen soll man wählen? Die Linkspartei
Das ZDF-Kabarett »Die Anstalt« und die Agitation
Politisches Kabarett ist im besten Sinne ein Raum voller Widersprüche, in dem soziale und politische Missstände mit bissigem Humor kritisiert werden. Der politische Kabarettist ist im schlechtesten Sinne aber immer auch ein Hofnarr der Verhältnisse; sein Witzeln dient der Wutableitung, wodurch die Verhältnisse stabilisiert werden.
Noch vor Kurzem wurde in den Feuilletons das Ende des politischen Kabaretts betrauert. Der Kabarett-Zuschauer heutiger Tage möchte, so hieß es, Comedy-Stars auf der Bühne sehen und nicht seinesgleichen, die sich über die Ungerechtigkeit empören und die Systemfrage stellen, ja, möglicherweise sogar politische Agitation betreiben wie weiland Dieter Hildebrandt.
Das Wort Agitator hat im Deutschen einen negativen Klang, es ist historisch verbrannt, wird mit »politischer Hetze« übersetzt. Dabei bedeutet Agitation im eigentlichen Sinne, für eine (politische) Sache zu werben. Die jüngste Ausgabe der Sendung »Die Anstalt«, die vom ZDF am Dienstagabend ausgestrahlt wurde, war genau das: politische Werbung.
Thema war die Verteilung des Vermögens zwischen Arm und Reich und die Lage der Mittelschicht in Deutschland. Das ZDF bewarb die Folge der Kabarett-Sendung vorab mit der Ankündigung, Max Uthoff und Claus von Wagner wollten mit ihren Gästen Nils Heinrich, Abdelkarim und Lisa Fitz »Stimme sein für Ungehörtes und Unerhörtes«.
Es ging also nicht um den satirischen Witz über die Verhältnisse, sondern um die Verhältnisse selbst; um die Frage zum Beispiel, warum Vermögende in Deutschland so wenig Steuern zahlen (was, wie man in der Sendung erfuhr, u.a. daran liegt, dass alle Bundesregierungen seit 1998 dafür gesorgt haben, dass das Vermögen der Reichen im Gegensatz zur Praxis in anderen Industrieländern statistisch kaum noch erfasst wird). Fast jede Partei (mit Ausnahme der FDP und der AfD) spricht sich mittlerweile für eine stärkere Besteuerung großer Einkommen und Vermögen aus - auf dem Papier, denn in der Praxis kneifen nicht nur in der »Anstalt« SPD und Grüne. Erstere, so Uthoff und von Wagner, weil sie diese Forderung nur erheben, solange sie nicht in der Regierung sind, letztere, weil sie ihre eigene Klientel nicht vor den Kopf stoßen wollen.
Im letzten Sketch fragte die von Lisa Fritz verkörperte Mittelschicht, ob es denn irgendjemanden gebe, der für ihre Ziele eintrete und dem sie deshalb ihre Wahlstimme geben könne. Gibt es, entgegnet ihr Claus von Wagner alias Robin Hood alias Linkspartei. Leider werde sie aber nicht von den 80 Prozent gewählt, die von der Umsetzung ihrer Forderungen profitieren würden. Und so war die jüngste Folge der »Anstalt« nicht nur politische Agitation, sondern auch noch unverhohlene Wahlwerbung für die Linkspartei.
In den Medien fand die jüngste Folge der »Anstalt« bis zum gestrigen Nachmittag keinen Widerhall. Dazu passt das, was Lisa Fitz alias Mittelschicht zur Linkspartei sagte: Deren Ziele seien ja toll, aber leider sei sie eine Partei der Verlierer. Und zu den Verlierern möchte die Mittelschicht nicht gehören.
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