Big Data verteuert Prämien

Autoversicherer führen umstrittene Telematik-Tarife ein

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Verhaltenskontrolle könnte zum Preis für günstige Versicherungsprämien und für mehr Sicherheit werden.

Bin ich ein guter Autofahrer? Diese Frage sollen sich Allianz-Kunden ab Mai 2016 selbst beantworten. Dazu benötigen sie eine spezielle App für ihr Handy: Nach der Fahrt zeigt das in den gängigen App-Stores verfügbare Programm dem Fahrer sein Beschleunigungs- und Bremsverhalten an, aber auch die Geschwindigkeit, und wie gut er durch Kurven fährt. Auf Grundlage dieser Daten können Versicherte dann mit einem neuen Telematik-Tarif bis zu 30 Prozent ihrer Prämien einsparen. Der Allianz-Konzern wendet sich zunächst ausschließlich an Fahrer bis 28 Jahre, die dadurch ihre Kosten senken könnten. Junge Leute stellen, da sie besonders häufig in Unfälle verwickelt sind, für Versicherer ein hohes Risiko dar und zahlen besonders hohe Prämien.

Bislang gab es in Deutschland erst kleinere Versuche einzelner Versicherungsgesellschaften mit solchen Telematik-Tarifen. Die Sparkassen-Direktversicherung hatte 2013 als erste ein solches Angebot gemacht. Demnächst will auch die HUK-Coburg damit an den Start gehen. Zusammen kommen Allianz und HUK-Coburg auf 18 Millionen Kunden in der Kraftfahrzeugversicherung. Dem Beispiel der Branchenriesen dürften bald andere Konkurrenten folgen, um im zunehmend größer werdenden digitalen Markt nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Dabei gibt es erhebliche Bedenken von Verbraucher- und Datenschützern. Für einen Telematik-Tarif muss nämlich zunächst eine Blackbox installiert werden, die eine Analyse des Fahrstils weiterreicht. Dieser Bluetooth-Stecker wird in den Zigarettenanzünder des Autos gesteckt und verbindet sich automatisch mit der App.

»Die Daten gehören dem Kunden und er behält jederzeit die Hoheit darüber«, versicherte Frank Sommerfeld, Vorstand der Allianz Versicherungs-AG, am Donnerstag auf dem »4. Autotag« im Allianz Zentrum für Technik (AZT) in Ismaning bei München. Fachleute der europäischen Nummer eins diskutierten hier mit Vertretern aus IT-Branche, Automobilwirtschaft und Politik. Beispielsweise könne der Fahrer die Datenlieferung »kurze Zeit« unterdrücken. Und es erfolge keine Datenübermittlung an Dritte, bei Ordnungswidrigkeiten auch nicht an die Polizei. Die Daten sollen keinerlei Einfluss auf eine spätere Schadensregulierung haben. Gleichzeitig mit dem neuen Tarif kann ein Notrufsystem gebucht werden. Die Versicherer erwarten im Ergebnis weniger schlimme Unfälle und dadurch sinkende Kosten.

Die Zeche zahlen dürften Versicherte, die persönliche Daten grundsätzlich als ihre Privatsphäre betrachten oder die sich für ein - im Versicherungsjargon - »schlechtes Risiko« halten. Mit zunehmender Akzeptanz von Telematik-Tarifen dürfte sich das Blatt nämlich wenden, warnt Peter Wesselhoeft vom Hamburger Industrieversicherungsmakler Gossler, Gobert & Wolters im Fachmagazin »Ass Compact«: »Je größer die Gruppe ist, die sich mit Telematik-Tarifen günstigere Prämien sichert, desto höher müssen die Prämien für die Nutzer klassischer Tarife steigen.« So entstehe faktisch Druck auf jeden, der sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung wahren möchte. Letztlich werde er gezwungen, dieses Recht aufzugeben oder »unbezahlbar« hohe Prämien zu zahlen.

Experten erwarten dennoch, dass Telematik-Tarife zum Standard werden. Dazu trägt auch der Gesetzgeber bei: Schon in zwei Jahren muss jeder neue Fahrzeugtyp mit einem vergleichbaren potenziellen Dauerüberwachungssystem namens E-Call ausgerüstet werden.

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