Das deutsche Panama
Was hierzulande gegen das System der Steuervermeidung möglich wäre
Frankreichs Staatschef hat es getan. Der US-Präsident ebenso. Und auch in der deutschen Debatte ist seit den Enthüllungen durch die »Panama Papers« wieder der Ruf nach mehr globaler Kooperation gegen Steuerflucht wie eine Zauberformel herumgereicht worden. Auch der Schattenwirtschaftsexperte Friedrich Schneider von der Uni Linz verlangt eine stärkere Kooperation gegen Steuerflucht.
Die Forderung ist mal an die OECD gerichtet, mal an die »internationale Gemeinschaft« - die dabei wie ein natürlicher Partner im Kampf gegen private Reichtumsmehrung erscheinen soll. Und wenn in der kommenden Woche die Finanzminister der 20 der sich als führend betrachtenden Industrie- und Schwellenländer in Washington zusammenkommen, soll das Thema auch besprochen werden.
Gegen internationale Regeln spricht nichts - außer die bisherige Erfahrung. Erstens sind Machenschaften wie die der Kanzlei Mossack Fonseca und das ganze System der legalen und illegalen Steuervermeidung nicht erst seit gestern bekannt; es stellt sich also die Frage, warum nicht bisher schon wirksam dagegen vorgegangen wurde. Zweitens, so sagt es der Finanzexperte der Linksfraktion im Bundestag, Axel Troost, könne man sich von solcher Kooperation »nicht viel erwarten. Denn Steueroasen wie Panama werden nicht von sich aus Maßnahmen wie einem Verbot von Briefkastenfirmen zustimmen.« Das spricht seiner Meinung nach nicht dagegen, die bisherigen schwarzen Listen von OECD und EU zu schärfen - diese krankten aber »an einer viel zu laxen Definition von Steueroasen«.
Zudem, und das ist der vielleicht entscheidende Punkt, wirkt der Appell zu mehr globaler Kooperation immer auch ein bisschen wie eine Ablenkung davon, was auf nationaler Ebene durchaus möglich wäre. Und nötig. Denn aus Sicht von Kritikern ist Deutschland, deren Regierungsvertreter sich nun gern als Helden der Bekämpfung von Steuervermeidung gerieren, selbst eine Art Panama.
Die Kontrolle von Geldwäsche hierzulande wird vom Grünen-Politiker Sven Giegold als »eher auf dem Niveau einer Steueroase« bezeichnet. Auch seine Parteifreundin Lisa Paus mutet es »seltsam an, wenn Finanzminister Wolfgang Schäuble behauptet, die ›Panama Papers‹ unterstützen den Kurs der Bundesregierung im Kampf gegen Steueroasen« - weil es den kaum gibt. Und auch beim Gewerkschaftsdachverband DGB klingt man eher pessimistisch: Die Enthüllungen hätten gezeigt, sagt Vorstand Stefan Körzell, »dass wir bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung, ebenso wie beim Abstellen von dubiosen, aber leider immer noch legalen Steuertricksereien noch ganz am Anfang stehen«.
Fragt man Grüne oder Linke nach möglichen Konsequenzen, hört man zum Teil ganz Ähnliches wie von SPD-Politikern. Die beklagen nun wie etwa der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, dass durch Steuerflucht »unsere Gesellschaften zerfressen werden, weil diese Praktiken jedem Gerechtigkeitsgefühl widersprechen«.
Dann sollte auch endlich etwas getan werden, fordert der Vizechef der Linksfraktion, Klaus Ernst. Statt über Schwierigkeiten zu lamentieren, internationale Regelungen zu vereinbaren, solle »die Bundesregierung endlich ihre nationalen Möglichkeiten nutzen. Da ist sie weitgehend untätig.« Ernst schlägt etwa vor, »dass die gesamte Wertschöpfung eines Unternehmens in dem Land besteuert wird, wo sie entsteht«.
Bei Kapitalerträgen aus Auslandsvermögen deutscher Staatsbürger in Steueroasen könnte zudem die Steuerdifferenz in der Bundesrepublik erhoben werden - das machen die USA bereits seit Jahren. Ernst fordert nun, »dass die Bundesregierung ihren Job macht«. Ob die dazu bereit oder in der Lage wäre, ist eine andere Frage. Wirksame Maßnahmen, wie sie nun in unterschiedlicher Weise aus SPD, Linkspartei und Grünen gefordert werden, könnte der Bundestag freilich sofort beschließen - die dort existierende rot-rot-grüne Mehrheit ist allerdings bloß eine theoretische.
Wäre dies anders, könnte umgehend über praktische Schritte beraten werden: Finanzexperte Troost erinnert daran, dass es »seit Jahren« Vorschläge gibt, wie sich Steuervermeidung eindämmen lässt. So könnte ein automatischer Austausch sämtlicher steuerrelevanter Daten zwischen den Finanzbehörden als Standard für alle Steuerabkommen festgelegt werden, die Deutschland eingeht. Hält sich ein anderes Land nicht daran, wird der Vertrag gekündigt.
Oder man geht schärfer gegen Banken vor: Alle Finanzunternehmen, die Steuerflucht anregen, unterstützen oder verschweigen, so Troost, könnten »mit drastischen Sanktionen« belegt werden - bis hin zum Entzug der Banklizenz. Zudem könnten Zahlungen an dubiose ausländische Adressen mit einer Strafquellensteuer von 50 Prozent belegt werden.
Troost macht sich darüber hinaus für eine Quellenbesteuerung auf alle ins Ausland abfließende Zahlungen von Unternehmen sowie auf Kapitaltransfers stark. Die Gefahr einer doppelten Abgabe ließe sich dabei leicht ausschließen. Ebenso würde die Abschaffung der Abgeltungssteuer ihren Beitrag leisten, das will auch die SPD - und sogar Finanzminister Wolfgang Schäuble, der sich damit aber bis nach der Bundestagswahl Zeit lassen möchte. Ein für alle öffentliches Unternehmensregister und vor allem die Bekämpfung der Gewinnverlagerung von Firmen ins Ausland stehen auch noch auf Troosts Liste - letztere würde sogar Druck auf die Niedrigsteuerländer machen, ihre Steuersätze zu erhöhen. Das wäre dann auch so eine Art internationale Kooperation.
Wichtig ist dem Wirtschaftswissenschaftler zudem, dass endlich mehr Personal für den Steuervollzug bereitgestellt wird. Jeder einzelne Fahnder bringe im Jahr im Schnitt Mehreinnahmen von einer Million Euro für den Fiskus - doch die zuständigen Behörden leiden an Personalmangel. Das wirkt praktisch wie ein staatlicher Schutz für Steuervermeider. Troost geht sogar noch einen Schritt weiter: Der Personalmangel sei auf einen »latenten Steuerwettbewerb zwischen den Bundesländern mittels lax gehandhabten Steuervollzugs zurückzuführen«. Und das passiert nicht in Panama. Sondern in Deutschland.
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