Ronaldo verspricht magische Nacht
Für Real Madrid erscheint ein Königsklassenaus gegen Wolfsburg immer noch unmöglich
Die Zuversicht gab es am Montagmorgen für nur einen Euro. Lächelnd und mit beiden Daumen nach oben grüßte Cristiano Ronaldo von der Titelseite der spanischen Sportzeitung »as«, garniert mit seinem Zitat als Schlagzeile: »Es wird eine magische und perfekte Nacht«, versprach der kickende Popstar den Anhängern von Real Madrid und somit auch das vereinstreue Blatt seinen Lesern, mehrheitlich Fans des spanischen Rekordmeisters.
Unsicherheit, Bedenken oder gar Furcht vor dem Aus im Viertelfinale der Champions League gegen den VfL Wolfsburg an diesem Dienstagabend fanden auch im Innenteil der Zeitung so gut wie keinen Raum, ganz ähnlich wie beim Konkurrenzblatt »Marca«, das seinen Lesern ein Foto der voraussichtlichen Startelf als Puzzlemontage offerierte - überschrieben von der Zeile, dies seien »die Auserwählten für den Ruhm«. Dass Real den Einzug ins Halbfinale verpasst? Undenkbar für die Königlichen und ihre Gefolgschaft, trotz der 0:2-Niederlage im Hinspiel am vergangenen Mittwoch beim Bundesligaachten.
Für den VfL bietet dieses Selbstverständnis Chancen und Risiken zugleich. Klaus Allofs hatte die spannende Ausgangslage bereits nach der ersten Verabredung in einen schönen Satz gegossen. »Da werden Dinge passieren, die wir uns noch gar nicht vorstellen können«, sagte der Geschäftsführer über das Spiel im Estadio Santiago Bernabéu mit den allerdings noch nicht ausverkauften 81 000 Plätzen. Wer wollte, konnte das auch im Sinne der Wolfsburger deuten. Gemeint war es aber als Mahnung, wie sie Allofs vor dem Abflug in Spaniens Hauptstadt am Montag nochmals konkretisierte. So seien »falsche Schiedsrichterentscheidungen«, zugunsten Reals in der aufgeheizten Atmosphäre möglich. Zuversichtlich gab er sich von Amts wegen natürlich trotzdem. »Da sitzt keiner mit hochroten Wangen. Wir sind keine blutigen Anfänger, auch wenn es natürlich kribbelt«, sagte Allofs über die Mannschaft von Trainer Dieter Hecking.
Die Spieler gehen also gewarnt in die »magische« Nacht. Sie wissen aber auch, dass das Publikum nicht nur jene Hilfe für Real sein kann, die sich Ronaldo von ihm verspricht: »Die 80 000 Madrilenen im Stadion werden uns stärken«, glaubt der Portugiese. Sollte der VfL seinen Vorsprung jedoch lange halten oder ihn gar noch ausbauen, könnte sich die Unterstützung der verwöhnten Real-Fans auch rasch in einen wenig förderlichen Unmut verkehren.
Es geht um sehr viel für Madrid, und anders als für den VfL steht nicht der größte Erfolg der Vereinsgeschichte in Aussicht, sondern nur eine Pflichterfüllung - oder eben eine peinliche Schmach. Zumal die Mannschaft des jungen Trainers Zinédine Zidane im Pokal bereits ausgeschieden ist. In der Liga schöpft Real nach dem Sieg im Clasíco und dem folgenden 4:0 vom Sonnabend gegen SD Eibar zwar wieder Hoffnung, da der Rückstand auf Tabellenführer FC Barcelona binnen einer Woche von zehn auf vier Punkte geschmolzen ist. Doch das wahrscheinlichste Szenario bleibt die zweite Saison ohne großen Titel hintereinander, was sich mit dem Selbstverständnis des Klubs beißt. Und Zidane müsste fürchten, seinen zu Jahresbeginn angetretenen Job schon bald wieder los zu sein.
Beschäftigen mag sich in Madrid niemand mit solchen Krisenszenarien. Lieber wird versucht, die Wolfsburger mit martialischen Worten einzuschüchtern. Von »Krieg« und »überrollen« ist die Rede. Klub und Zeitungen erinnerten zudem an erfolgreiche Aufholjagden der Vergangenheit, darunter das 4:0 gegen Borussia Mönchengladbach im Dezember 1985, als Real nach einer 1:5-Pleite auf dem Bökelberg noch weiterkam.
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