Falsche Tabletten und Mindestlohn

Die Aufgaben der Zollbehörde haben sich in den vergangenen Jahren deutlich erweitert

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Neben dem Aufspüren von Schmugglern muss der Zoll auch die Einhaltung des Mindestlohnes überwachen und hilft bei der Flüchtlingsregistrierung mit. Das Personal reicht jedoch nicht aus.

Bei der Jahrespressekonferenz des deutschen Zoll am Montag in Berlin gab es am Eingang erst mal was fürs Auge. Präsentiert wurde ein Ausschnitt aus der Asservatenkammer - von der Maschinenpistole über präparierte seltene Tierarten bis hin zu gefälschten Markenprodukten und Medikamenten war alles dabei. Doch seit dem weitgehenden Wegfall der Zollkontrollen an den EU-Binnengrenzen hat sich der Aufgabenbereich des Deutschen Zolls deutlich erweitert: Zu seinen Aufgaben gehört außer der Ein- und Ausfuhrkontrolle von Waren die Erhebung diverser Verbrauchs- und Umsatzsteuerarten und Abgaben, die Bekämpfung der Schwarzarbeit, die Vollstreckung von Steuerbescheiden und die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns. Aktuell ist der Zoll im Rahmen der Amtshilfe auch bei der Registrierung von Flüchtlingen aktiv. Derzeit sind knapp 36 000 Menschen bei der Behörde beschäftigt, die direkt dem Bundesfinanzministerium untersteht.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach dann auch von »immer neuen Herausforderungen« für den Zoll, der mit vereinnahmten Steuern und Abgaben in Höhe von 132, 6 Milliarden Euro im vergangenen Jahr fast die Hälfte des Bundeshaushalts erwirtschaftet hat. Um die vorhandenen Ressourcen »reaktionsschneller und schlagkräftiger« umsetzen zu können, habe man die Strukturen der Behörde umfassend gestrafft, mit einer neuen Generaldirektion an der Spitze, dem Wegfall einiger Leitungsebenen und mehr Eigenverantwortung für die nachgeordneten Dienststellen, so Schäuble. Zur zentralen Aufgabe des Zolls habe sich der Verbraucherschutz in vielerlei Facetten entwickelt.

Das betrifft besonders die illegale Einfuhr von Medikamenten und Lifestyleprodukten, die beträchtliche Zuwachsraten verzeichnet. Diese sowohl von kriminellen Netzwerken als auch von Privatkunden verstärkt nachgefragten Produkte bergen mitunter schwere Gesundheitsrisiken, wie der Pharmakologe Harald Schweim anhand von beschlagnahmten »Schmerztabletten« auf Borsäurebasis erläuterte. Die Gewinnmargen seien in diesem Bereich teils höher als beim Rauschgifthandel. Die Täter agierten hoch professionell, mit ausgefeilter IT-Basis und Logistik.

Mit kriminellen Netzwerken hat es der Zoll mitunter auch bei den verschiedenen Facetten der Schwarzarbeit zu tun. Allerdings ist die Zahl der durchgeführten Kontrollen und Befragungen 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent auf rund 400 000 drastisch zurückgegangen. Julian Würtenberger, Abteilungsleiter Zoll und Verbrauchsteuern im Bundesfinanzministerium, erklärte dies mit einem »Strategiewechsel« hin zu »risikoorientierten Prüfungen«. Man konzentriere sich auf Branchen, die besonders für illegale Beschäftigung anfällig seien, wie Bau- und Hotelgewerbe. Würtenberger verwies darauf, dass trotz gesunkener Kontrolldichte mehr Strafverfahren als 2014 eingeleitet wurden - insgesamt 106 000. Die ermittelte Schadenssumme stieg um 25 auf 820 Millionen Euro.

Vergleichsweise wenige Verstöße wurden dagegen beim seit 2015 gültigen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde registriert. Würtenberger sprach von einer »mittleren vierstelligen Zahl«. Man habe sich darauf konzentriert, Unternehmen »für diese Frage zu sensibilisieren«. Zudem gehe der für diesen Bereich vorgesehene Personalaufbau nur allmählich voran, viele vorgesehene Fachkräfte wurden zeitweise für die Flüchtlingsregistrierung abgeordnet.

Bei Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) stößt die Personallage auf harsche Kritik. Die laxe Kontrollpraxis bedeute, »dass Unternehmen, die sich um den Mindestlohn herummogeln, 2015 quasi einen Freibrief gehabt haben - zulasten der Beschäftigten«, sagte DGB-Bundesvorstandsmitglied Stefan Körzell am Montag. Die vom Zoll praktizierte »Risikoorientierung« bedeute, dass besonders kleine Betriebe im Dienstleistungsbereich kaum befürchten müssten, dass mögliche Verstöße gegen das Mindestlohngesetz aufgedeckt würden. Hier müsse »stark nachgebessert werden«, so Körzell.

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