Lust und Leichtigkeit
Mit alten Tugenden will Bayern München über Lissabon ins Halbfinale der Champions League
Der FC Bayern stellt sich auf ein kniffliges Ringen um den Einzug ins Halbfinale der Champions League bei Benfica Lissabon ein - spannend ist, welche Abwehrformation Trainer Guardiola aufbieten wird.
Von Maik Rosner, Lissabon
Ginge es nach der Legende, müssten die Münchner an diesem Mittwoch vor allem auf den ersten Höhepunkt achten in Lissabons Estádio da Luz, im Stadion des Lichts. Wie vor jedem Heimspiel Benficas wird auch kurz vor dem Viertelfinalrückspiel der Champions League gegen den FC Bayern ein Adler unter dem Jubel der Zuschauer einschweben. Die Frage, die die Fans des portugiesischen Rekordmeisters dabei stets umtreibt, ist jene nach der Anzahl der Runden, die das Wappentier vor der Landung auf einem Vereinsschild im Innenraum um das Stadion drehen wird. Werden es zwei Runden, besagt die Legende, gewinnt Benfica. Wird es nur eine, siegen die Gäste.
Es ist nicht bekannt, welcher der beiden diensthabenden Adler diesmal eingesetzt wird. Und ebenso wenig, wie zuverlässig ihre Prognosen sind, ob also »Vitória« über die besseren hellseherischen Fähigkeiten verfügt als Kollege »Gloriosa«, wenngleich beide Namen einen ruhmreichen Sieg verheißen. Gewiss ist nur, dass sich die Münchner nach ihrem mühevollen 1:0-Erfolg im Hinspiel vor acht Tagen auf eine knifflige zweite Verabredung einstellen, unabhängig von der Flugshow vor dem Anpfiff.
»Das 1:0 ist kein Ruhekissen, aber auch kein Ergebnis, dass wir die Hosen voll haben müssten. Wir haben ganz ordentliche Voraussetzungen, dass wir die nächste Runde erreichen«, sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. »Dieser Gegner ist zwar unbekannt, aber er hat Klasse, wie er im Hinspiel gezeigt hat«, warnte derweil Matthias Sammer, »Uns erwartet die Hölle, der Enthusiasmus ist extrem, darauf sollten wir vorbereitet sein.« Optimistisch geht aber auch der Sportvorstand schon von Amts wegen in den entscheidenden Vergleich vor dem erhofften Halbfinaleinzug - trotz der zuletzt nicht immer überzeugenden Auftritte, bei denen auch Sammer den »letzten Funken absoluter Begeisterung, das Miteinander und das sich gegenseitig Helfen« vermisste. Die Mannschaft sollte wieder mehr »Lust, Gier, Leichtigkeit und Freude« entwickeln und »nicht darüber nachdenken, was passieren, sondern was man erreichen kann«, riet Sammer. Es wäre die fünfte Teilnahme am Halbfinale hintereinander, mit der auch die Chance auf das erhoffte Triple zum Abschied von Trainer Pep Guardiola gewahrt bliebe.
Wieder mitwirken könnte der genesene Kingsley Coman. Dagegen fehlen Arjen Robben, Jérôme Boateng, Holger Badstuber und Medhi Benatia weiterhin. Mindestens ebenso wichtig wie die Auswahl des Personals dürfte die taktische Herangehensweise werden. Dabei wird es interessant zu beobachten, ob sich Guardiola erneut für eine auf bis zu fünf Verteidiger erweiterbare Dreierkette mit Javier Martínez in der Mitte entscheidet wie am Sonnabend beim 3:1-Sieg in Stuttgart. Oder doch für eine Viererkette wie im Hinspiel, als Joshua Kimmich und David Alaba den Innenblock bildeten. Für eine Variante mit Martínez (1,90 Meter) im Zentrum spricht auch sein Größenvorteil gegenüber Kimmich (1,76) und Alaba (1,80), zumal Benfica auf seinen gefährlichsten Angreifer Jonas wegen einer Gelbsperre verzichten muss und mit Raúl Jiménez (1,90) als Ersatz gerechnet wird.
Benficas Trainer Rui Vitória jedenfalls glaubt, die Absenz von Jonas in einem Spiel auffangen zu können. Der Optimismus in Lissabon ist ohnehin groß, den Favoriten aus Deutschland auszuschalten. »Wir alle bei Benfica erwarten eine große europäische Nacht«, sagte Mittelfeldspieler Pizzi. Portugals bekanntester Trainer, der vereinslose José Mourinho, ging noch einen Schritt weiter. Er traut Benfica in dieser Saison ein ähnliches Husarenstück zu, wie es ihm selbst 2004 mit dem nationalen Konkurrenten FC Porto gelang. Benfica, befand Mourinho, könne also sogar die Champions League gewinnen. Ob das auch einer der beiden Adler so sieht, wird sich schon vor dem Anpfiff zeigen.
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