Das Duell der Unbeliebten
Schon vor dem Finale um den deutschen Eishockeytitel steht fest, dass die Spiele zwischen den Werksklubs aus München und Wolfsburg für einen Minusrekord sorgen werden
Keiner trifft so oft wie Michael Wolf, doch am Ziel ist der Rekordtorjäger der Deutschen Eishockey Liga (DEL) noch nicht. »Der Titel wäre die Erfüllung eines Kindheitstraumes«, sagt der Kapitän des Vorrundensiegers Red Bull München. Ab Freitag im Playoff-Finale gegen die Grizzlys Wolfsburg kann ihn sich der 35-Jährige erfüllen.
Die Titeljagd des Ex-Nationalspielers, der mit 277 Treffern die ewige Torschützenliste der DEL anführt, ist die sportlich reizvollste Geschichte der Endspielserie um die 96. deutsche Eishockeymeisterschaft. Im Fußball würde sie Millionen begeistern. In den Eisstadien in München und Wolfsburg werden sie dagegen so wenige Zuschauer verfolgen wie noch nie in der Ligageschichte.
Die beiden Werksklubs, vom österreichischen Brausehersteller Red Bull und dem Autobauer VW mit Millionen alimentiert, sind nicht die Lieblinge der Fans. Wolfsburg lockte in der Vorrunde durchschnittlich nur 2617 Besucher - 10 000 weniger als Primus Eisbären Berlin. Nicht ein Playoff-Spiel in der nur 4503 Zuschauer fassenden Arena war bislang ausverkauft. »Die Leute sind entweder am Wochenende gar nicht in der Stadt, oder sie arbeiten«, klagt Wolfsburgs Sportdirektor Karl-Heinz Fliegauf: »Und es gibt kein Hinterland.«
München steigerte seinen Besucherschnitt in den Punktspielen immerhin auf 4603, liegt in der Fußballmetropole aber auch noch deutlich hinter den Basketballern des FC Bayern (5838). Dennoch hat Wolf »ein bisschen Euphorie auch in der Stadt« festgestellt: »Man merkt insgesamt, wie sehr Eishockey in den letzten Wochen und Monaten in München angekommen ist.« Selbst bei ausverkauften Hallen könnten im Schnitt nur 5323 Besucher den »El Plastico« des Eishockeys über maximal sieben Spiele verfolgen. Den bisherigen Minusrekord in 21 Jahren DEL hält die Endspielserie 2004 zwischen Frankfurt und Berlin (5848).
Der EHC München, vor sechs Jahren aufgestiegen und seit 2013 im Besitz des österreichischen Milliardärs Dietrich Mateschitz, geht als Favorit ins Rennen. Nicht nur wegen Wolf, eines hervorragend besetzten Kaders und des Ligarekordetats von geschätzten 12,5 Millionen Euro. Vor allem wegen Don Jackson. Der Amerikaner, einst an der Seite des legendären Wayne Gretzky zweimal Stanley-Cup-Sieger, ist so etwas wie eine Titelgarantie. Sechsmal stand Jackson bislang im DEL-Finale, fünfmal gewann er mit den Eisbären Berlin den Silberpokal, nur bei seinem Debüt 2006 mit der Düsseldorfer EG konnte er nicht gewinnen.
»Von der Papierform her« sei München in der Tat Favorit, gibt Wolfsburgs Stürmer Sebastian Furchner zu: »Aber: Wer wie viel verdient, zählt nicht mehr.« Die Grizzlys, bei denen VW 70 Prozent des 7,7-Millionen-Budgets beisteuert, wollen in ihrem zweiten Finale nach 2011 »nicht wieder dem Gegner beim Feiern zusehen«, sagt Furchner. »Das tat weh.«
Damals triumphierten die Eisbären Berlin - mit Jackson an der Bande. »Er ist der beste Trainer der DEL«, sagt Wolfsburgs Kollege Pavel Gross. Der gebürtige Tscheche, seit sechs Jahren Cheftrainer, zählt indes selbst auch zu den besten seiner Zunft. Während Jackson meist mit den teuersten Teams der Liga arbeiten konnte, macht Gross aus wenig sehr viel. »Er ist in der Analyse Weltklasse«, lobt Fliegauf. »Er weiß immer, wie er reagieren muss.« Dass die Wolfsburger - wirtschaftlich nur im Mittelfeld der Liga - nun zum zweiten Mal binnen fünf Jahren im Finale stehen, hält nicht nur der Sportdirektor für »eine Sensation«. SID/nd
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