Clinton oder Sanders? »Alle Augen auf Brooklyn«

Linker Senator und Ex-Außenministerin liefern sich Redeschlacht / Vorwahl am kommenden Dienstag in New York

  • Lesedauer: 5 Min.

Berlin. Im Kampf um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten haben sich die frühere Außenministerin Hillary Clinton und ihr sozialistischer Kontrahent Bernie Sanders am Donnerstag eine harte Redeschlacht geliefert. »Wenn Sie sich beide so anschreien, können unsere Zuschauer Sie nicht verstehen«, versuchte der Moderator der Debatte im New Yorker Stadtteil Brooklyn die Kontrahenten zur Räson zu bringen. Im Streit ging es unter anderem um Mindestlohn und Waffenkontrolle. Sanders warf Clinton vor, den Irak-Krieg und »desaströse« Handelsabkommen unterstützt zu haben - und: sich im Wahlkampf mit Millionen Dollar von der Wall Street unterstützen zu lassen. Clinton fehle »das Urteilsvermögen, das wir brauchen«. Clinton verwies auf ihre Erfahrung als Politikerin: »Die New Yorker haben mich zwei Mal zu ihrer Senatorin gewählt. Präsident Obama hat genug Vertrauen in mein Urteilsvermögen gehabt, um mir das Amt der Außenministerin anzubieten.« Sanders habe in einem Interview kürzlich nicht einmal Fragen nach seinem Hauptthema, der Entmachtung der Banken, sowie nach seinen außenpolitischen Zielen beantworten können.

Es ist ein besonderes Aufeinandertreffen des Senators aus Vermont und der ehemaligen Außenministerin hier in Brooklyn, wo Sanders aufgewachsen ist und von wo aus Clinton ihre Wahlkampfmaschine steuert. Zweimal wählte New York sie zur Senatorin. »Alle Augen auf Brooklyn«, titelt die »New York Times« in ihrem Newsletter zum Lokalteil. Beide Kandidaten wollen nicht nur die Millionenmetrople New York, sondern den ganzen Bundesstaat New York auf ihre Seite ziehen. Und beide beanspruchen für sich, die linksliberalen Werte dieser Großstadt zu vertreten. Republikaner trifft man hier kaum. Dafür umso mehr Demokraten, die ihre Meinung in den Abendhimmel posaunen: »Bernie«, schreit eine Frau auf einem Fahrrad, als sie ein paar Hillary-Schilder entdeckt. »Ihr seid in der falschen Facebook-Gruppe«, sagt eine andere in Richtung einiger Clinton-Anhängern durch ein Megafon aus ihrem Autofenster. Sie sitzt in einem hellblauen Minivan, aus dem das Wort »Bernie« mit Leuchtdioden nach draußen scheint.

Nicht weit von ihnen hängen schwarze Plakate an einer Wand, in Spanisch steht auf ihnen geschrieben: »Donald, Du bist ein Vollidiot.« Gemeint ist: Trump.

Die Plakate hätten von Martin Misiak sein können. Er sagt: »Ich glaube wirklich, dass Trump ein Idiot ist.« Der Chemielehrer sitzt neben seiner Freundin im »Banter«, einer Kneipe in Williamsburg, in der die CNN-Debatte übertragen wird. Eben zeigten die Leinwände noch Motorrad-Cross und Poker, jetzt geht hier nach fast jedem Statement von Sanders und Clinton ein Jubel durch die Menge. Eng gedrängt stehen die Menschen bis zum Eingang, die Angestellten hinter der Theke sind hoffnungslos überfordert. Der 40-jährige Misiak hat noch nie gewählt, jetzt will er an die Urne: Sanders hat ihn mitgerissen.

»Ich liebe es, in Brooklyn zu sein«, sagt Clinton - Applaus im »Banter«. Ein wenig fühlt es sich an wie beim Fußballspiel in einer deutschen Kneipe: Klatschen bei einem kritischen Angriff, zynische Kommentare und Rufe von der Gegenseite, wenn dieser misslingt oder gekontert wird. »Yes«, brüllen Einzelne, wenn ein Argument so richtig sitzt. Wall Street, Steuern, Klimaschutz, Marihuana: Die Menschen hier kennen die Themen, kennen die Antworten. »Ich verfolge Politik seit Jahrzehnten«, sagt Peter Fogarty, der lieber einen Joe Biden oder eine Elizabeth Warren im Endspurt der Demokraten gesehen hätte.

Die meisten der nach und nach biergetränkten Kneipenbesucher hat der schroffe Senator aus Vermont in der Tasche. »Mir ist es echt egal, was er sagt. Ich liebe es einfach, wenn er spricht«, schwärmt ein junger Mann am Tresen. Seiner Sitznachbarin ist die ehemalige First Lady wie so vielen Sanders-Fans nicht geheuer: »Das ist genau, warum ich ihr nicht vertraue«, sagt sie, als Clinton sich in der Debatte erneut weigert, Redetexte ihrer Vorträge für die Bank Goldman Sachs offenzulegen. Bis zu 200 000 Dollar Honorar bekam sie für diese Reden.

Zwischen einigen scheint das Gruppengucken in Hass umzuschlagen. »Du bist Republikanerin, hau ab! Buh«, ruft jemand Clinton entgegen. Nicht weit von ihm sitzen zwei Clinton-Fans. »Ich habe noch nie so viel Grobheit gesehen. Alle sind einfach nur gemein«, sagt Miranda Gee, die nur hergekommen ist, weil sie zu Hause kein Kabelfernsehen hat. Ein Sanders-Fan habe ihr sogar verboten, in »seiner« Eckkneipe schlecht über den sozialistischen Senator zu sprechen.

»Du bist George W. Bush«, ruft der eingefleischte Sanders-Mann, als Clinton ihr abschließendes Statement gibt. Gee ist enttäuscht von ihren Nachbarn. Ausgerechnet in Brooklyn, wo die Menschen doch als so freundlich gälten. Clinton und Sanders seien beides Demokraten, beide »für Amerika«, wie Gee sagt. Und: Beide »für dieselbe Partei.«

Clinton liegt bei den Vorwahlen bisher mit gut 1.300 Delegiertenstimmen vorn, Sanders kommt auf knapp 1.100. Darüber hinaus gibt es bei den Demokraten noch sogenannte Superdelegierte, zumeist Parteifunktionäre, die auf dem Nominierungsparteitag mit abstimmen, aber ihre Meinung jederzeit ändern können. Insgesamt sind für die Nominierung bei den Demokraten 2.383 Delegiertenstimmen nötig. Der 74-jährige Senator aus Vermont konnte von den acht letzten Vorwahlen sieben für sich entscheiden. Bei der nächsten Vorwahl am kommenden Dienstag in New York sind 247 Delegiertenstimmen zu vergeben. Die USA wählen am 8. November ein neues Staatsoberhaupt. Präsident Barack Obama darf nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten. Die Vorwahlen in allen 50 US-Staaten ziehen sich bis in den Frühsommer hin, ihre Kandidaten küren Republikaner und Demokraten dann offiziell bei den Nominierungsparteitagen im Juli. Bei den Republikanern liegt der rechtspopulistische Milliardär Donald Trump in Führung. Agenturen/nd

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