Im Zweifel für den Despoten

Aert van Riel über den Besuch von Sigmar Gabriel in Ägypten

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Weil man nie sicher sein kann, ob das, was er gerade gesagt hat, auch wenig später noch gelten wird, trägt Sigmar Gabriel in SPD-Kreisen den wenig schmeichelhaften Beinamen »Mister Zickzack«. Diesem hat der Bundeswirtschaftsminister dieser Tage bei seinem Besuch in Ägypten alle Ehre gemacht. Als Zeichen der Partnerschaft mit der dort herrschenden Militärelite hatte Gabriel einen Anstecker mit der deutschen und der ägyptischen Flagge an seinem Revers befestigt. Diesen trug der SPD-Chef auch bei einer Pressekonferenz in Kairo, wo er am Sonntag verkündete: »Ich finde, Sie haben einen beeindruckenden Präsidenten.« Dieses überschwängliche Lob galt General Abdel Fattah al-Sisi, der die ebenfalls nicht demokratisch ausgerichtete Muslimbruderschaft entmachtet hatte und seit 2014 in dem Land herrscht. Gabriel sprach vor den Journalisten auch Menschenrechtsverletzungen an. Insgesamt habe er aber den Eindruck, dass Ägypten sich den Weg vorgenommen habe, »das Land Schritt für Schritt zu demokratisieren«. Dass die große Mehrheit der Bevölkerung davon nichts spürt, überging der Sozialdemokrat. In Wirklichkeit werden Regimegegner inhaftiert und Gefangene gefoltert. Deutsche Korrespondenten berichten zudem, dass unter al-Sisi die Jagd auf Schwule und Lesben neue Ausmaße angenommen habe.

Während des sogenannten Arabischen Frühlings, der unter anderem zum Sturz der Militärdiktatur von Husni Mubarak in Ägypten geführt hatte, klang Gabriel noch völlig anders. In einem Gastbeitrag für die »Frankfurter Rundschau« versprach er im März 2011, dass es »keine Kumpanei mit Despoten« mehr geben dürfe. Damals mussten sich die Sozialdemokraten dafür rechtfertigen, dass die Parteien der Autokraten in Ägypten und Tunesien ebenso wie die SPD Mitglieder der »Sozialistischen Internationale« und damit faktisch Partner der deutschen Sozialdemokraten waren. Erst nach dem Sturz der Diktatoren wurden die beiden nordafrikanischen Parteien aus dem weltweiten Zusammenschluss der Sozialdemokraten ausgeschlossen. Gabriel äußerte damals Verständnis dafür, dass die arabischen Bevölkerungen »sich nicht länger bieten lassen, dass ihre Bürger- und Menschenrechte gegen vermeintliche Stabilität und Rohstoffsicherheit für den Westen aufgerechnet werden«. Die wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu Diktaturen dürften nie wieder das Maß an Normalität erreichen, »das sie in Nordafrika und anderswo bereits hatten«.

Wenn man aber wie Gabriel eines Tages das Amt des Wirtschaftsministers übernimmt, treten moralische Bedenken gegen die Handelsbeziehungen mit Diktaturen in den Hintergrund. Bei seinem Besuch in Ägypten hatte Gabriel 100 Manager im Schlepptau. Viele von ihnen konnten durchaus zufrieden sein. Siemens baut in dem Land neue Gas- und Windkraftwerke im Wert von rund acht Milliarden Euro. Auch militärisch wird Ägypten von Deutschland weiter aufgerüstet. Vier U-Boote sollen bald geliefert werden. Vor fünf Jahren hatte Gabriel als Oppositionspolitiker über die Diktaturen in Nordafrika noch geschrieben: »Im Zweifel für die Freiheit und gegen Unterdrückung.« Inzwischen verfolgt der SPD-Vorsitzende exakt das Gegenteil dieser Maxime.

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