Letztes Kapitel für die Braunkohle
Tschechischer Konzern kauft Lausitzer Kohle von Vattenfall / Strukturwandel geht weiter
Am Ende gab es keine Überraschung: Vattenfall gibt wie erwartet vier Tagebaue und drei große Braunkohlekraftwerke in der Lausitz - nebst einem 50-prozentigen Anteil am Kraftwerk Lippendorf im Revier Halle/Leipzig - an den tschechischen EPH-Konzern und den im Hintergrund agierenden Finanzier PPF ab.
Der Verkauf steht zwar noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Vattenfall-Eigners Schweden. Widerstand ist aber nicht zu erwarten. Zudem erreichen die Schweden zwei ihrer wichtigsten Ziele: Sie steigen aus dem Verlustgeschäft Braunkohle aus und Vattenfall reduziert seine CO2-Emissionen auf einen Schlag von 80 auf 25 Millionen Tonnen jährlich. »Der Verkauf bedeutet, dass mehr als 75 Prozent unserer Erzeugung klimaneutral sein wird im Vergleich zu den 50 Prozent heutzutage«, frohlockte Vattenfall-Chef Magnus Hall.
EPH übernimmt neben den Anlagen, deren Wert 3,4 Milliarden Euro betragen soll, die Verpflichtungen einschließlich der Rekultivierung. Dazu sollen die Tschechen rund 1,7 Milliarden Euro an Barmitteln bekommen. Laut den Angaben wird sich der Verkauf in einem Verlust von bis zu 22 Milliarden schwedischen Kronen (2,4 Milliarden Euro) in der Vattenfall-Bilanz 2016 niederschlagen.
Was auch immer die als rabiater Finanzinvestor eingeschätzte EPH mit dem Kauf vorhat: Wegen des Klimaschutzes und des kommenden Kohleausstiegs sind die Tage der Lausitzer Kohle gezählt. Dass Kohlekraftwerke und Tagebaue mit jahrelanger Laufzeit in Betrieb genommen werden, schließt Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake (Grüne) aus.
Von Jubel ist deshalb nicht einmal bei der Brandenburger Regierung etwas zu spüren. Man erwarte von EPH das gleiche Engagement für die Region wie von Vattenfall, sagte Landeswirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD). Und hat eine gute Botschaft: Der Käufer habe sich verpflichtet, dem Unternehmen in den kommenden Jahren keine Gewinne zu entziehen - eine leere Zusage, denn dass die Lausitzer Kohle Gewinne einfährt, scheint ausgeschlossen. Vattenfall erklärte, dass nach den drei Jahren mindestens zwei Jahre lang die übliche Rendite berechnet werden darf.
Dass die Schweden den Verkauf nutzen, um ihren nationalen Kohleausstieg umzusetzen und die Gewinne hoch zu halten, sieht auch die energiepolitische Sprecherin der Linksfraktion, Eva Bulling-Schröter: »Nach dem Rückzug des Staatskonzerns auf Raubritter-Manier droht ein Ausbluten der Region und das Abwälzen von Kosten auf die öffentliche Hand«. Es bestehe auch die Gefahr, dass EPH gegen einen künftigen deutschen Kohleausstieg Klage einreicht.
Wer ergründen will, warum die Lausitzer Kohle sich immer noch den aus den 1990er Jahren stammenden Fragen nach Zukunftskonzepten stellen muss, muss bis in DDR-Zeiten zurückgehen. Damals wurde das Revier zum Hauptenergielieferanten ausgebaut. Für die überdimensionierte und ineffiziente Fossilwirtschaft gab es nach der Wende keinen Platz mehr.
Warnungen vor Strukturbrüchen sind für den Konjunkturforscher Udo Ludwig nichts Neues. Das Argument habe auch für die Erhaltung des Steinkohlebergbaus in Westdeutschland herhalten müssen. »Das ist über viele Jahre sehr teuer gekommen und die Steinkohlensubventionen haben nicht unbedingt den Strukturwandel begünstigt, sondern sogar den erforderlichen Rückgang der Beschäftigung im Bergbau gehemmt«, betont er gegenüber »nd«. Um hohe soziale Kosten zu vermeiden, müssten unternehmerisches Engagement in neuen Beschäftigungszweigen angezogen und Beschäftigte entsprechend ausgebildet werden. Auf keinen Fall dürfe es zur »Regenerierung in den Berufen der Kohlenindustrie kommen.«
Beim Brandenburger Wirtschaftsminister Gerber liest sich das so: Neben der »Brückentechnologie« Braunkohle müssten nun, fordert er in Richtung EPH, »Projekte und Forschungsthemen, die in der Lausitz im Bereich der Erneuerbaren und der Energieeffizienz auf den Weg gebracht wurden, fortentwickelt werden«. Selbst für bekennende Kohlelobbyisten wie Gerber beginnt nun eine neue Zeitrechnung - die nach der Kohle.
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