Das Lodern vor den Spielen
Am Donnerstag startet die Olympische Fackel, in Brasilien überstrahlt politisches Chaos die Vorfreude auf Rio 2016
120 Jahre alt ist das Sportfest Olympia, und eine ordentliche Portion Inbrunst und Bedeutungsschwere gehören seit jeher dazu zum Weltsportspektakel, das erst bei seiner 31. Auflage seine Premiere auf dem südamerikanischen Subkontinent erlebt. Auch am Donnerstag wird es wieder Pathos im Übermaß geben, wenn anno 2016 im Hain des antiken Olympia von einer Schauspielerin mittels eines Brennspiegels das Olympische Feuer entzündet wird.
So manchem wird dabei schaudern, handelt es sich bei der vermeintlich klassischen Zeremonie doch um eine Erfindung aus Nazideutschland, das das Fackelspektakel für die Propagandaspiele von Garmisch-Partenkirchen und Berlin 1936 erstmals inszenieren ließ. Seither ist der Fackellauf nicht mehr aus der olympischen Ritualsammlung wegzubekommen. 2016 wird der griechische Turnweltmeister Lefteris Petrounias der erste Träger der Fackel sein, die nach einem Stopp am IOC-Sitz in Lausanne (Schweiz) ab 3. Mai durch Brasilien getragen wird.
Bis das Feuer am 5. August bei der Eröffnungsfeier im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro entzündet wird, soll die Fackel 20 000 Kilometer durch das Riesenland zurückgelegt haben. Gut vorstellbar, dass sich an der Strecke wieder Proteste entzünden - analog zu den Sozialprotesten vor der Fußball-WM 2014. Damals zogen Hunderttausende wegen einer Preiserhöhung bei Bustickets auf die Straßen. 2016 ist die Situation der Armen im Lande nicht besser geworden.
Brasilien steckt in der Krise - sozial, ökonomisch, politisch. 9,6 Millionen Arbeitslose hat das fünftgrößte Land der Erde, das unter der seit 2003 regierenden Arbeiterpartei (PT) den Hunger besiegt und Millionen armen Menschen einen Perspektive verschafft hatte. Die Wirtschaft des Landes ist ins Minus gerutscht, ein milliardenschwerer Korruptionsskandal um den Ölkonzern Petrobras erzürnte die Öffentlichkeit, die traditionell konservativen Medien hetzten die Stimmung gegen die PT zusätzlich an.
Am Sonntag schließlich stimmte das Parlament mit Zweidrittelmehrheit für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsidentin Dilma Rousseff, der Regelverstöße und buchhalterische Tricks im Staatshaushalt vorgeworfen werden. Rousseff droht nun Ende April eine Suspendierung durch den Senat für 180 Tage. Doch die 68-Jährige will um ihr Amt kämpfen und spricht von einem »Staatsstreich«. Viele in der schwindenden Schar ihrer Anhänger sind erbost und sprechen von einem verdeckten Putsch, initiiert von den stramm rechten Medienkonzernen des Landes. Auf der anderen Seite indes bejubelten Tausende am Sonntagabend das Abstimmungsergebnis des Parlaments auf den Straßen. Die Stimmung im Lande ist hitzig.
Ob Rousseff bei der Ankunft des Olympischen Feuers in der Hauptstadt Brasilia dabei sein wird, ist ungewiss, bei der Olympiaeröffnungsfeier wird sie wegen der wahrscheinlichen Suspendierung aller Voraussicht nach fehlen. Für Olympia soll die politische Krise indes keine Folge haben, versichern die Veranstalter. »Zu 98 Prozent« seien die Vorbereitungen auf die Spiele abgeschlossen, versichert Rios Bürgermeister Eduardo Paes. Auch das IOC bestätigte den Brasilianern unlängst gute Arbeit: Nawal El Moutawakel von der IOC-Koordinierungskommission für Rio 2016 gab sich vor einer Woche gelassen: »Wir gehen mit unserer Arbeit weiter voran, trotz des komplexen politischen und wirtschaftlichen Umfeldes.« Rio habe »die letzten 1000 Details« zu klären, sei aber auf dem »richtigen Weg«.
Selbst die bis vor kurzem noch bezweifelte Fertigstellung des U-Bahn-Ausbaus zum Olympia-Stadtteil Barra da Tijuca scheint zu gelingen. Anfang Juli sollen erste Testzüge in den westlich gelegenen Teil der Großstadtregion rollen. Ohne diese 16 Kilometer lange Strecke droht ein Megastau auf den schon heute vollkommen überfüllten Straßen Rio de Janeiros.
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