4.000 gegen rechten Thügida-Fackelmarsch in Jena
Tausende protestieren gegen rund 200 Neonazis / Oberbürgermeister für Verbot von Demonstrationen an historisch sensiblen Jahrestagen
Berlin. Tausende Menschen haben in Jena gegen einen Aufmarsch von Neonazis protestiert. Rund 200 Anhänger des Pegida-Ablegers Thügida provozierten am Hitlergeburtstag mit einem Fackelmarsch durch die Innenstadt. In Nachrichtenagenturen ist vor allem von Ausschreitungen die Rede, bei denen 15 Polizisten verletzt worden seien. Demonstranten sollen Flaschen und Steine auf den rechten Aufmarsch geworfen haben. Von Seiten der Protestierenden hieß es, die Polizei sei nicht konsequent gegen die Neonazis vorgegangen, die gegen Auflagen verstoßen hätten. Auch hätten diese »Juden raus« gerufen, ohne dass die Sicherheitskräfte eingeschritten wären.
Von Augenzeugen vor Ort hieß es, die Polizei habe die Lage eskaliert und mit überzogenem Einsatz Gewalt gegen die Protestierenden angewandt. Die Polizei ging mit Pfefferspray gegen Antifaschisten vor, die sich den Neonazis in den Weg stellen wollten. Der Leiter der Landespolizei in Jena, Thomas Quittenbaum, verurteilte die Gewalt. Dadurch werde das Ziel friedlicher Proteste konterkariert. Bei mehreren Kundgebungen wurden bis zu 4.000 Gegendemonstranten gezählt. Mehrere Menschen wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen. Die Polizei nahm nach jetzigem Stand 35 Strafanzeigen auf, die meisten davon richten sich gegen Neonazis.
Quittenbaum wurde in der »Thüringer Allgemeinen« mit den Worten zitiert, »es ist unschön, eine solche Versammlung an einem solchen Datum zu haben. Aber es war versammlungsrechtlich leider nicht zu beanstanden. Ziel ist es, ein Zusammentreffen der verschiedenen Gruppen zu vermeiden. Dazu werden die Auflagen genauestens beobachtet. Die Polizei wünscht sich einen friedlichen, aber durchaus lauten Protest.« Der Polizist habe sich aber positiv darüber geäußert, dass in Jena gegen die Neonazis protestiert wird.
Laut der linken Landtagsabgeordneten Katharina König hatte im Vorfeld auf mögliche Verbindungen zwischen dem Anmelder des Thügida-Aufmarsches und der mutmaßlich rechtsterroristischen »Gruppe Freital« hingewiesen, die dieser Tage von der Polizei ausgehoben worden war.
Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) forderte als Konsequenz aus dem rechten Aufmarsch ein Verbot von Demonstrationen an historisch sensiblen Daten. Die Verfassung sollte vom Bundestag entsprechend geändert werden, sagte Schröter der Deutschen Presse-Agentur. »In Deutschland ist es bereits verboten, zum Beispiel in der Nähe von ehemaligen Konzentrationslagern zu demonstrieren.« Das müsse auch für Tage gelten, an denen an geschichtsträchtige Ereignisse erinnert werde.
Die Stadt wollte den Aufmarsch am Jahrestag von Adolf Hitlers Geburtstag ursprünglich verhindern und hatte stattdessen vorgeschlagen, dass der rechte Aufmarsch einen Tag später stattfindet. Die Verwaltung war damit vor dem Verwaltungsgericht Gera gescheitert. Nach Einschätzung des Thüringer Verfassungsschutzes wird Thügida von Rechtsextremen dominiert. Thügida mobilisierte zu Spitzenzeiten bis zu 900 Personen. Zuletzt waren es maximal nur noch 200 Anhänger.
Entlang einer Bahnstrecke in Jena hat es zudem einen Kabelbrand gegeben. Die Polizei geht nach eigenen Angaben von Brandstiftung aus. Die Sperrung der Strecke wird nach Angaben der Deutschen Bahn voraussichtlich bis Donnerstagmittag andauern. In einer Meldung der Deutschen Bahn war am Abend von einem »Kabelkanalbrand durch Vandalismus« die Rede. Betroffen seien die Regionalexpress-Linien 1 und 3. Agenturen/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.