Junge Union will bis 70 arbeiten lassen
Rentenalter soll zur Anhebung des Niveaus der Alterssicherung angehoben werden / Auch Schäuble dafür / Linkspartei: Lohnerhöhungen sind die Alternative / Riexinger nennt Überlegungen des Finanzministers »realitätsfern«
Berlin. Seit Tagen wird über die Rentenpolitik gestritten. Nun hat die Regierung grünes Licht für das stärkste Rentenplus seit 23 Jahren gegeben. Die Junge Union fordert allerdings, zur Finanzierung eines höheren Rentenniveaus das Renteneintrittsalter ab 2030 in Schritten von 67 auf 70 Jahre anzuheben. »Um das Rentenniveau künftig nicht so weit absenken zu müssen, dass immer weniger Menschen davon leben können, sollten wir das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung koppeln«, sagte der JU Vorsitzende der Organisation, Paul Ziemiak, der »Rheinischen Post«. Der Jahrgang 1985, dem er angehöre, »müsste bis zum Alter von 67,5 Jahren erwerbstätig bleiben. Ein Renteneintrittsalter von 70 Jahren würden wir erst im Jahr 2100 erreichen«.
Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble hat sich für einen späteren Rentenbeginn in Deutschland ausgesprochen. Lebensarbeitszeit und Lebenserwartung sollten in einem fast automatischen Zusammenhang in der Rentenformel stehen, sagte Schäuble. Die Altersgrenze sollte auch stärker flexibilisiert werden. Die Linken-Politikerin Cornelia Möhring reagierte mit Kritik: »Nein, Herr Schäuble, das ist keine gute Idee«, erklärte sie im Kurznachrichtendienst Twitter. Statt das Rentenalter zu erhöhen, sollten die Löhne stärker steigen. Das vom Kabinett am Mittwoch beschlossene Rentenplus ist bereits eine Folge der Lohnentwicklung; es ist allerdings auch einem einmaligen Sondereffekt geschuldet, der zuvor die Rentenerhöhung gedämpft hatte.
Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) erklärte, die steigenden Löhne und der Mindestlohn kämen unmittelbar den Rentnern zugute. Mit Blick auf Schäubles Vorschlag sagte ein Sprecher der Arbeitsministerin: »Das ist kein abgestimmter Vorschlag der Bundesregierung«.
Die Linken-Politikerin Sabine Zimmermann sagte, »die heutige Rentenerhöhung ist nicht der Großzügigkeit der Bundesregierung zu verdanken, sondern den tariflich durchgesetzten Lohnerhöhungen und der Einführung des Mindestlohns«. Rund 3,4 Millionen Senioren, »die heute unter Altersarmut zu leiden haben, hilft die nun beschlossene Erhöhung wenig«, kritisierte Zimmermann. Sie forderte eine armutssichere Mindestrente und die Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent.
Linken-Chef Bernd Riexinger warnte vor Rentenkürzungen durch einen späteren Rentenbeginn. »Die Formel höhere Lebenserwartung = längere Lebensarbeitszeit klingt schlüssig, ist aber realitätsfern«, sagte Riexinger der Nachrichtenagentur AFP. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter liege derzeit bei rund 61. »Wer nach 40 Jahren auf dem Bau oder im Schichtdienst in Pflegeheimen körperlich und psychisch erschöpft ist und nicht mehr arbeitsfähig, müsste bei einer ohnehin kleinen Rente Abschläge in Kauf nehmen.«
Derzeit liegt das Rentenniveau - also das Verhältnis von Standardrente zu Durchschnittseinkommen - nur noch bei gut 47 Prozent. Es soll bis 2030 schrittweise auf 43 Prozent sinken. Dies hatte im Jahr 2004 die damalige rot-grüne Bundesregierung beschlossen. Die für die Rentenanpassung relevante Lohnsteigerung beträgt nach Angaben des Ministeriums 3,78 Prozent in den alten Ländern und 5,48 Prozent in den neuen Ländern. Die Erhöhung hat laut Nahles keine Auswirkung auf den Beitragssatz zur Rentenversicherung, dieser werde in den kommenden Jahren stabil bei 18,7 Prozent bleiben. Der Rentenwert im Osten steigt mit der Erhöhung von bislang 92,6 Prozent auf 94,1 Prozent des Wertes im Westen. Agenturen/nd
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