Troika 2.0 in Portugal?
Die Mitte-Links-Regierung in dem südeuropäischen Land muss dem neoliberalen Druck widerstehen, finden Alexander Ulrich und Steffen Stierle
Bis vor wenigen Monaten galt Portugal als Musterschüler der EU. Kernindikatoren wie Wirtschaftswachstum, Verschuldung und Leistungsbilanz entwickelten sich relativ gut. Das Land konnte sogar frühzeitig aus dem Troika-Programm aussteigen. So konnte die Regierung wieder selbst das Ruder in die Hand nehmen und souveräne Entscheidungen treffen, anstatt bloß die von EU und IWF vorgegebenen Kürzungs-, Liberalisierungs- und Privatisierungsprogramme umzusetzen.
Diesen demokratischen Spielraum nutzt die Mitte-Links-Regierung seither, um den neoliberalen Kurs zu verlassen, der so viele Portugiesen in die Armut gestürzt oder zur Auswanderung gezwungen hat. So wurden u.a. die Gehälter im öffentlichen Dienst erhöht, der Mindestlohn über die Armutsgrenze gehoben und einige ausstehende Privatisierungsprojekte abgesagt.
Alexander Ulrich, Jahrgang 1971, ist Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Deutschen Bundstag und Landesvorsitzender der LINKEN in Rheinland-Pfalz.
Steffen Stierle, Jg. 1981, ist Attac-Aktivist und Mitinitiator des europäischen Lexit-Netzwerkes.
Dabei hat schon der Fall Griechenland im vergangenen Jahr gezeigt, dass eine Abkehr von der neoliberalen Kahlschlagagenda in der Eurozone nicht akzeptiert wird. Nachdem die Linksregierung im Amt war und die Bevölkerung ein weiteres Troika-Programm per Referendum abgelehnt hat, zogen Eurogruppe und EZB die Daumenschrauben an: Der Geldhahn wurde zugedreht und die griechische Wirtschaft ins künstliche Koma geschickt – bis zur Kapitulation. Schon war wieder Schluss mit Demokratie und Kurswechsel.
Auch der Druck auf Portugal nimmt seit einigem Monaten zu: Der erste Streich war die Rettung der Pleitebank BANKIF. Acht Restrukturierungspläne hatte die Regierung vorgelegt. Der Favorit war die Überführung in die Caixa Group und damit in die öffentliche Hand. Doch sämtliche Pläne wurden von der EU-Kommission abgewiesen. Stattdessen kam es – flankiert von finanziellem Druck der EZB – zu einer Hauruck-Aktion, in der die Bank erst mit mehr als 2,3 Milliarden Euro Steuergeldern gerettet und dann für 0,15 Milliarden Euro an das spanische Finanzkonglomerat Santander verkauft wurde. Offenbar ein gutes Geschäft für die Bank und zugleich eine deutliche Einschränkung des finanziellen Handlungsspielraums der portugiesischen Regierung.
Der zweite Streich ist die Herstellung einer Situation, in der die internationalen Großbanken in der Lage sind, Portugal per Knopfdruck in die Zahlungsunfähigkeit und damit zurück unter Troika-Kontrolle zu treiben. Das funktioniert so: Die EZB darf Kraft ihrer Statuten nur portugiesische Anleihen kaufen, wenn mindestens eine von vier privaten, nordamerikanischen Ratingagenturen das Land für kreditwürdig hält. Drei dieser Ratingagenturen tun das bereits nicht mehr. Die vierte ist die DBRS aus Kanada. Senkt auch sie ihren Daumen, stoppt die EZB die Anleihekäufe.
Dann würde die Zinsbelastung Portugals erheblich steigen, das Land könnte sich nicht mehr selbst an den Finanzmärkten refinanzieren und müsste einen Notkredit-Antrag beim Europäischen Stabilitätsmechanismus stellen. Die Troika würde wieder die Kontrolle übernehmen, die Regierung wäre entmachtet. Die Kürzungsorgie würde fortgesetzt.
Man muss wissen, dass die Ratingagenturen keine öffentlichen Institutionen sind, die objektive Bewertungen abgeben. Vielmehr handelt es sich um private Gesellschaften, die in den Händen großer Banken sind und mit ihren Ratings deren Interessen verfolgen. Auch die EZB ist keine öffentliche Institution in dem Sinne, dass ihre Politik Ergebnis demokratischer Prozesse ist. Sie wurde bewusst so konstruiert, dass sie unabhängig von Parlamenten und Regierungen agiert, zugleich aber stark vom privaten Bankensektor beeinflusst wird. Dass Mario Draghi, der Chef des Hauses, direkt von der US-Großbank Goldman Sachs kam, ist der deutlichste, aber bei weitem nicht der einzige Beleg für diesen Zusammenhang.
Somit haben die Banken Portugal in der Hand. Bereits diesen Freitag will die DBRS ihr Rating überprüfen. Voraussichtlich kommt es dann noch nicht zu einem down-grade und seinen Folgen. Denn, so heißt es bei der Agentur, Portugal habe glaubwürdige Zusagen gemacht. Man fürchtet also gegenwärtig keine Politik, die den Interessen der Großbanken zu sehr zuwider läuft.
Welche Interessen das sind, ist klar: Es geht – wie in Griechenland und überall dort, wo die Troika bereits eingegriffen hat – darum, die Forderungen der Banken zu bedienen. Dazu muss das Geld den einfachen Menschen durch Lohnkürzungen und Sozialabbau weggenommen werden. Und durch Privatisierungsprogramme sollen neue, lukrative Investitionsfelder erschlossen werden. Das ist mit den Konzepten einer Mitte-Links-Regierung, die die Lebenssituation der Menschen verbessern und soziale Rechte stärken will, nicht vereinbar.
Auch wenn es nicht zu einer unmittelbaren Eskalation kommen dürfte: Der permanente Druck ist da. Sobald die Mitte-Links-Regierung Maßnahmen ergreift, die dem Finanzsektor nicht genehm sind, wird der Druck weiter erhöht. Die gegenwärtigen Spielregeln des Euroraums flogen den hemmungslosen Profitinteressen der Finanzjongleure und stehen damit in direktem Widerspruch zu Demokratie und sozialen Rechten. Das gilt es zu ändern.
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