Wirtschaft bricht für gute Rente nicht zusammen

Paritätischer Wohlfahrtsverband hält die Stabilisierung des Rentenniveaus bei rund 50 Prozent für finanzierbar / LINKE fordert Anhebung auf 53 Prozent

  • Lesedauer: 4 Min.
Die Diskussion um die Rente ist entfacht: Und während aus den Reihen der Union die Stimmen nach einem höheren Eintrittsalter laut werden, weist der Paritätischer Wohlfahrtsverband daraufhin, dass eigentlich genug Geld vorhanden ist.

Berlin. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hält die Stabilisierung des Rentenniveaus bei rund 50 Prozent für finanzierbar. »Es ist nicht so, als würde Deutschland wirtschaftlich zusammenbrechen, nur wenn man das Rentenniveau stabilisiert - das ist Unfug«, sagte Verbandschef Ulrich Schneider am Donnerstag im »ZDF«-Morgenmagazin. Kosten würde das nicht einmal ein Prozent der Wirtschaftsleistung.

In dem Morgenmagazin bezeichnete der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands die Riesterrente als gescheitert. Er betonte, dass er es für sinnvoller halte, die staatlichen Zulagen zu der privaten Altersvorsorge in die gesetzliche Rentenkassen zu fließen zu lassen.

Die LINKE spricht sich sogar dafür aus das Rentenniveau auf 53 Prozent anzuheben. Von der betrieblichen und privaten Vorsorge profitiere alleine die Versicherungswirtschaft, sagte die Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann am Donnerstag in einer von ihrer Fraktion beantragten Aktuellen Stunde des Bundestages. »Sie haben die Rente nicht reformiert, sondern deformiert«, fügte sie an die Adresse der anderen Parteien mit Blick auf frühere Reformen hinzu.

Der Grünen-Abgeordnete Markus Kurth mahnte hingegen eine »sorgsame Debatte« über die Altersversorgung an und warf der großen Koalition »rentenpolitische Chaoswochen« vor. Sowohl CSU-Chef Horst Seehofer als auch der Linken wegen ihres Neins zur Absenkung des Rentenniveaus attestierte er »Populismus«. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel stelle diese Forderung auf, lasse aber offen, wie ein Verzicht auf die Absenkung finanziert werden soll.

Derzeit liegt das Rentenniveau - das Verhältnis zwischen Arbeits- und Renteneinkommen - bei rund 48 Prozent. Unter 43 Prozent soll es laut politischer Vorgabe bis 2030 nicht fallen. Derzeit sind knapp 45 Prozent bis 2029 vorhergesagt. Die aktuelle Diskussion dreht sich um die Frage, die Rente mit Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge bezahlbar zu halten - und Altersarmut von Niedrigverdienern zu verhindern.

Schneider verwies auf die steigende Produktivität, etwa durch automatisierte Produktion. »Wir schaffen immer mehr Reichtum mit immer weniger Arbeit.« Das Rentensystem sei deshalb auch mit weniger Beitragszahlern zu finanzieren. »Wir haben im Moment kein Problem zwischen Jung und Alt, sondern zwischen Arm und Reich.« Schneider forderte zudem, auch gut verdienende Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen.

Merkel hält Rente bis 2029 für stabil

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält das Rentensystem in Deutschland bis 2029 für stabil und zukunftsfest. Für die Zeit nach 2030 müsse man sich Gedanken machen, sagte Merkel laut Teilnehmerkreisen bei einer Fraktionssitzung der Union am Dienstag in Berlin. In der Union soll es demnach eine breite Diskussion mit den beteiligten Fachpolitikern geben. Für eine Rentenreform strebe die Kanzlerin einen Konsens mit dem Koalitionspartner an, hieß es. Mit solchen gemeinsamen Beschlüssen habe man in Deutschland gute Erfahrungen gemacht. Merkel bekräftigte, die Diskussion um die Rente aus dem Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr heraushalten zu wollen.

Die offiziellen Berechnungen und Vorgaben zur gesetzlichen Rente reichen derzeit nur für die nächsten Jahre. So ist vorgegeben, dass das Rentenniveau bis 2030 nicht unter 43 Prozent sinken soll. Derzeit liegt es bei rund 48 Prozent. Die aktuelle Diskussion dreht sich um die Frage, die Rente mit Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge bezahlbar zu halten - und Altersarmut von Niedrigverdienern zu verhindern.

Schäuble fordert Rente ab 70

Führende Unionspolitiker haben davor gewarnt, die aktuelle Rentendebatte in den Bundestagswahlkampf 2017 hineinzuziehen. »Dies würde unnötig Emotionen schüren«, sagte Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) der »Neuen Osnabrücker Zeitung« vom Dienstag. Fuchs wandte sich gegen Forderungen nach einer Verschiebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre, plädierte aber für flexiblere Lösungen: »Wer will, sollte länger arbeiten dürfen. Aber er muss auch etwas davon haben.«

Für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit hatte sich zuvor unter anderem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgesprochen. Dies sei »völlig realitätsfremd«, sagte dazu der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske. Viele Arbeitnehmer seien »heute schon vor Erreichen des Renteneintrittsalters völlig verschlissen und können nicht länger arbeiten, selbst wenn sie es wollten«, sagte er den Dortmunder »Ruhr Nachrichten«.

»Wer arm ist, stirbt früher und wer einen harten Job hat, kann nicht bis 70 arbeiten. Schäuble will also Millionen Menschen um ihren wohlverdienten Ruhestand bringen. Statt vor der Wahl zu stehen, bis zum Umfallen zu arbeiten oder drastische Rentenkürzungen in Kauf zu nehmen, sollten alle Beschäftigten spätestens mit 65 ohne Abschläge in Rente gehen können«, kommentiert Sahra Wagenknecht die Forderung von Wolfgang Schäuble nach einem späteren Rentenbeginn in Deutschland. Die Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. dpa/nd

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