Ein Fußballklub im Visier von Neonazis

Folge 94 der nd-Serie »Ostkurve«: Der FSV Zwickau will in die 3. Liga. Gegen rechte Tendenzen tut der Klub zu wenig

  • Max Zeising, Zwickau
  • Lesedauer: 6 Min.
Sportlich läuft es beim Regionalligisten FSV Zwickau ganz gut, auch das neue Stadion ist bald fertig. Große Probleme hat der Verein mit rechten Einflüssen - auch weil er dieses Thema lange missachtet hat.

Das »Theater Plauen-Zwickau« hat den Schuss auf jeden Fall gehört. Den Schuss, dass sich die deutsche - und insbesondere die sächsische - Gesellschaft politisch immer weiter nach rechts orientiert. Am deutlichsten offenbart durch die Schüsse des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU), jenes Zwickauer Terror-Trios, das zwischen 2000 und 2006 insgesamt zehn Menschen ermordet hat. Das gemeinsame Theater der westsächsischen Städte Plauen und Zwickau hat sich intensiv mit den NSU-Verbrechen beschäftigt und daraus ein Stück entwickelt. »Weißes Mäuschen warme Pistole« heißt es und verspricht dem geneigten Zuschauer »eine gespenstische Reise in die Gedankenwelt der rechtsradikalen Terrorzelle und hinter die Fassade der Normalität«. Am 3. Mai läuft das Theaterstück in Zwickau zum letzten Mal, danach wird es in Plauen aufgeführt.

Zu dieser Zeit könnte dann jedoch ein anderer Anziehungspunkt in der 90 000-Einwohner-Stadt Zwickau im Fokus der Öffentlichkeit stehen: der Fußballklub FSV, der um den Aufstieg in die 3. Liga, also den bezahlten Profifußball kämpft. Und man kann sich immer wieder nur wünschen, dass der Tabellenführer der Regionalliga Nordost eine ähnlich intensive Auseinandersetzung mit der NSU-Geschichte betreiben würde wie das Theater. Stattdessen aber tritt mit dem Fußball-Sport-Verein Zwickau ein weiterer Klub, der zumindest offen scheint für Fans und sogar Spieler des rechten politischen Lagers, den Weg in die 3. Liga an. Um dort auf Gleichgesinnte zu treffen - auf Vereine wie den Halleschen FC oder Hansa Rostock, deren Fanstrukturen sich seit vielen Jahren im Visier von Neonazis befinden.

Der FSV geriet schon mehrfach in die Schlagzeilen, als es um rassistische Beleidigungen gegenüber sportlichen Kontrahenten ging. Nach der Partie beim SV Babelsberg 03 im vergangenen November etwa redete sich dessen Trainer Cem Efe in Rage: »Du kannst alles sagen, aber doch nicht diskriminieren«, klagte Efe, »wenn du ›Scheiß Türke!‹ sagst, dann ist das doch kein normaler Fall mehr.«

Nun trafen diese beiden Vereine - der aus der NSU-Stadt und der mit der linken Fanszene aus Potsdam und einigen türkischstämmigen Spielern im Kader - am vergangenen Wochenende erneut aufeinander. Das Rückspiel in Zwickau endete mit einem 4:2-Sieg für den Tabellenführer, der einen Vorsprung von zwei Punkten auf seinen ärgsten Verfolger Berliner AK hat. Bei noch vier ausstehenden Spieltagen dürfte es schwierig sein, den FSV noch vom Platz an der Spitze zu verdrängen. Sollten die Zwickauer den ersten Tabellenplatz bis zum letzten Spieltag verteidigen, stehen dann Ende Mai die Aufstiegsspiele gegen den Meister oder Zweiten der Regionalliga Südwest im Terminkalender.

Auf dem Rasen scheint also alles geklärt. Nicht aber abseits des Platzes: Wie die »Potsdamer Neuesten Nachrichten« berichteten, gab es gegen Babelsberg erneut unschöne Szenen zu beobachten. So hätten die Zwickauer Fans Efes Weg vom Kabinentrakt zur Trainerbank mit Pfiffen und Buhrufen begleitet. »PNN« schreibt: »Aus welcher Leidenschaft sich auch immer so mancher Zuschauer von seinem schwarz-rot-goldenen Sitzkissen erhob, um Efe teilweise unflätig zu beschimpfen - Fairness und Gastfreundschaft klingen anders.« Allerdings hätten auch einige mitgereiste Babelsberger Anhänger sich nicht als gute Gäste erwiesen: »Es bleibt ihr Geheimnis, was sie bekunden wollten, als sie auf einem Transparent das städtische Bild Zwickaus mit Bukarest der 1980er-Jahre verglichen.«

Doch die Pfiffe der FSV-Fans sind anscheinend nur die Spitze eines ziemlich hohen Eisbergs. Laut »Jüdischer Allgemeine« soll auf den Rängen des Sportparks Sojus 31 auch das berüchtigte »U-Bahn-Lied« schon angestimmt und der »Terrorzelle Zwickau« sowie dem »NSU« mit Sprechchören gehuldigt worden sein. Und: Auf die »Sieg«-Rufe der Anhängerschaft habe ein Spieler einmal mit »Heil« geantwortet. Anders als bei vielen anderen Fußballvereinen stehen in Zwickau nicht nur die Fans in der Kritik, sondern auch die Fußballer selbst.

»Man kann sich als Verein seine Fans leider nicht zu 100 Prozent aussuchen«, entgegnet nun Jörg Schade, der sportliche Leiter des FSV, gegenüber »nd« und fügt an: »Wir versuchen ja schon, über Stammtische und Gespräche unsere Fans zu sensibilisieren, sei es zum Thema Pyrotechnik, sei es zum Thema Diskriminierungen.« Schade ergänzt, dass es »im Kalenderjahr 2016 noch keinen einzigen Vorfall gegeben hat« und dass das Hauptklientel des Klubs eigentlich »die Ultras Red Kaos sind, die politisch eher der anderen Richtung angehören.«

Hoffnung, die Probleme in den Griff zu bekommen, gibt es aber auch. Das Fanprojekt Zwickau hat sich zum Ziel gesetzt, Gewalt durch Präventivarbeit einzudämmen, demokratische und humanitäre Werte zu vermitteln, an der Gleichberechtigung weiblicher und männlicher Fußballfans zu arbeiten und - nicht zuletzt - extremistische Orientierungen abzubauen. Aber: Rassismus wird nicht explizit als Problem angesprochen. Das Fanprojekt wollte sich dazu vorerst nicht äußern. »Wir müssen uns gerade auf das Landespokalfinale gegen Erzgebirge Aue konzentrieren«, schob Fanprojekt-Mitarbeiter Max Duroldt als Grund vor und ergänzte: »Nach der Saison können wir dazu ausführlich ins Gespräch kommen.«

Immerhin: Zuletzt gab es im Rahmen der Zwickauer Demokratietage eine Veranstaltung des Fanprojekts, bei der nicht nur über die Geschichte des Westsachsenstadions - der ehemaligen Heimstätte des FSV und bis 1990, die seines Vorgängervereins BSG Sachsenring - gesprochen, sondern sich auch mit der Geschichte der NS-Bewegung in Zwickau auseinandergesetzt wurde. Sprich: Fußball und Politik kamen miteinander in Berührung. Am Gesamteindruck ändert diese Tatsache jedoch nichts: Der FSV Zwickau, der in den Profifußball will, muss noch hart an sich arbeiten, um ganz und gar professionell aufzutreten - wozu eben auch Respekt und Offenheit gehören.

Hinzu kommt, dass sich die Strukturen des Vereins gerade im Auf- und Umbau befinden, am deutlichsten zu beobachten am häufigen Wechsel des Stadions in den letzten Jahren: Bis 2010 spielte der Klub, der in der DDR-Oberliga noch eine große Nummer war und nach der politischen Wende abgerutscht ist, im Westsachsenstadion - in einer dieser alten Schüsseln aus der NS-Zeit mit Laufbahn und Marathontor. Danach folgte der Wechsel ins Sportforum Sojus 31. Im August - pünktlich zur kommenden Saison - wird der FSV dann in ein neugebautes Stadion im Stadtteil Eckersbach umziehen. Die 10 000 Zuschauer fassende Arena entspricht den Anforderungen des Deutschen Fußball-Bundes für eine Drittligaspielstätte und kostet rund 21 Millionen Euro. Der Klub muss dafür jährlich rund 250 000 Euro Miete zahlen.

Aktuell ist auch der Spielerkader noch nicht vergleichbar mit Drittligaverhältnissen. Laut der Internetseite »transfermarkt.de« beträgt der Marktwert der Zwickauer Mannschaft derzeit 2,05 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der VfR Aalen, der in dieser Statistik unter allen Drittligisten ganz hinten steht, weist einen Marktwert von 5,18 Millionen Euro auf. Der bekannteste Name beim FSV ist noch Trainer Torsten Ziegner, der einst bei Carl Zeiss Jena in der 2. Bundesliga spielte - und der später in der 3. Liga einmal seinen Gegenspieler Kingsley Onuegbu eine »schwarze Sau« nannte. Zyniker würden sagen: Ziegner ist einer, der nach Zwickau passt.

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