Metall oder Keramik
Einer Studie zufolge geben Patienten in Sachsen-Anhalt am wenigsten beim Zahnarzt aus
161,75 Euro haben die gesetzlichen Krankenkassen 2014 im Durchschnitt für die zahnärztliche Versorgung jedes ihrer Mitglieder ausgegeben. Das klingt bescheiden, die Versicherten mussten tiefer in die Tasche greifen. Eine Studie im Auftrag der Barmer GEK hat deren Ausgaben genauer untersucht und eklatante Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern festgestellt. Die Ergebnisse wurden gestern in Berlin vorgestellt.
Barmer-Chef Christoph Straub zufolge kann man aus den erhobenen Zahlen ablesen, dass sich immer mehr Patienten an teuren, aber nicht unbedingt besseren Alternativen der Zahnerhaltung orientieren. Besonders deutlich werde das bei der Einzelzahnverkronung. Hier sei Experten zufolge die Metallkrone die beste Lösung für den Seitenzahn, auch wenn ihre Ästhetik unter Umständen als nachteilig empfunden werde. »Wenn es um die Haltbarkeit geht, gibt es nichts Besseres«, so Straub.
Doch Patienten und Zahnärzten wird Vollkeramik empfohlen - beispielsweise von der Initiative pro dente, die sich mit dem Mäntelchen der Unabhängigkeit schmückt, aber im Wesentlichen von 200 Firmen der Dentalindustrie und den Zahntechnikerverbänden getragen wird. Sie sagt: »Wer bei Zahnersatz in punkto Ästhetik keine Kompromisse eingehen möchte und Wert auf gute Verträglichkeit legt, ist mit Keramik gut beraten«. Da beim Zahnersatz 60 bis 70 Prozent der Kosten auf das Material zurückgehen und Keramik teurer ist als Metallkronen, kommen auf den Patienten höhere Ausgaben zu, wenn er auch da Keramik haben möchte, wo man es nicht sofort sieht. Viele Patienten dürften der Argumentation von pro dente folgen, immer vorausgesetzt, sie verfügen über die nötigen Finanzen. In der Barmer-Untersuchung folgt die Höhe der Ausgaben für Zahnbehandlungen brav dem »sozioökonomischen« Standard der Bundesländer, sprich: dem Armutsgefälle.
So ist der Eigenanteil für Zahnersatz in Bayern mit durchschnittlich 1132 Euro pro Jahr am höchsten, gefolgt von den Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen. Am niedrigsten ist er in Sachsen-Anhalt mit nur rund 628 Euro sowie in allen anderen ostdeutschen Bundesländern und dem Saarland. Besonders groß sind die regionalen Unterschiede bei den Einzelzahnkronen. In Bayern wurden 2014 weniger als zehn Prozent davon in der Regelversorgung angefertigt. Die Gründe dafür bleiben im Dunkeln. Mecklenburg-Vorpommern war zwar Spitzenreiter, doch auch hier lag der Anteil bei nur etwa einem Drittel.
Starken Schwankungen unterliegen die Ausgaben für die Behandlung von Zahnbetterkrankungen: Nordrhein-Westfalen weist mit 4,6 Prozent einen mehr als doppelt so hohen Anteil auf wie das Saarland mit 2,2 Prozent. Im Osten werden wiederum mehr Zähne gezogen als im Westen, auch gehen die Ostdeutschen häufiger zur Notfallbehandlung außerhalb der Sprechzeiten.
Studienautor Michael Walter vom Universitätsklinikum Dresden führt die großen Unterschiede auf zahlreiche Ursachen zurück: Unterschiedliche Ansprüche in Stadt und Land, Bildung, Alter, Einkommen, Geschlecht. Frauen geben im Durchschnitt siebeneinhalb Prozent mehr Geld für den Erhalt ihrer Zähne aus als Männer.
Die gesetzlichen Kassen beteiligen sich nur an den Kosten für die sogenannte Regelversorgung. Dafür erhalten die Versicherten einen Festzuschuss - unabhängig davon, welchen Zahnersatz sie sich machen lassen. Zur Regelversorgung gehören Legierungen ohne Edelmetall. Möchte der Patient Kronen oder Brücken mit Goldanteil oder Keramik für einen Seitenzahn, muss er den Aufpreis selbst berappen. Die Festzuschussregelung will die Barmer GEK nicht in Frage stellen; nach ihrer Meinung hat sie sich bewährt. Doch bei der Regelversorgung im Unterkiefer wünscht sich Vorstand Straub künftig Implantate als Standard. Um das einzuführen, wäre die Politik gefragt.
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