Scheitern von TTIP wird wahrscheinlicher
Zweifel an Freihandelsabkommen nehmen zu
Berlin. Nach den Enthüllungen über das Tauziehen zwischen Europa und den USA um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP gibt es immer mehr Zweifel am Zustandekommen des Vertrags. In der Spitze der EU-Kommission gebe es starke Bedenken, ob das Abkommen überhaupt noch geschlossen werden könne, berichtete die «Süddeutsche Zeitung» am Dienstag. Ein hochrangiger EU-Vertreter sagte dem Blatt, die US-Regierung bewege sich bisher zu wenig, damit dieses Jahr ein Abschluss gelingen könne. Nach der Pause, die bis Ende 2017 durch die Wahlen erst in den USA und dann in Frankreich und Deutschland entstehe, werde eine Wiederbelebung der Verhandlungen schwierig. Die nationalen Parlamente müssen dem Abkommen am Ende wahrscheinlich zustimmen.
Obwohl bereits seit drei Jahren verhandelt werde, «stehen immer noch die Maximalpositionen gegenüber», beklagte der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD). Es gebe noch eine Reihe ungelöster Fragen, so dass es in diesem Jahr nicht mehr möglich sei, «ein vernünftiges Ergebnis» zu erzielen.« Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sagte dem »Straubinger Tagblatt«, mit dem Europaparlament werde es keine Absenkung der Verbraucherstandards geben.
Greenpeace hatte am Montag bislang unter Verschluss gehaltene Dokumente mit US-Forderungen publik gemacht. Die Umweltorganisation warf Washington vor, durch das geplante Abkommen im Interesse US-amerikanischer Konzerne europäische Umwelt- und Verbraucherschutzstandards aushöhlen zu wollen. Kritiker befürchten, dass mit TTIP Standards im Verbraucher- und Umweltschutz gesenkt werden und Gentechnik in Europa Einzug hält.
Der für das Abkommen zuständige französische Außenhandelsstaatssekretär Matthias Fekl rechnet auch mit einem Abbruch der Verhandlungen. Ein Stopp der Gespräche scheine derzeit »die wahrscheinlichste Option« zu sein, erklärte Fekl am Dienstag im Radiosender Europe 1. Er sage dies »mit Blick auf die derzeitige Einstellung der USA«. »Europa schlägt viel vor und bekommt im Gegenzug kaum etwas«, beklagte Fekl. »Das ist nicht akzeptabel.« Zugleich betonte der Staatssekretär, es könne kein Abkommen »ohne Frankreich, und schon gar nicht gegen Frankreich« geschlossen werden.
Das Weiße Haus hat unterdessen gelassen auf die Enthüllungen reagiert. Er sei »nicht besonders beunruhigt über diese angeblichen Enthüllungen«, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Josh Earnest, am Montag in Washington. Der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby, bekräftigte, die USA gingen »weiter davon aus, dass es möglich ist«, das Abkommen noch in der Amtszeit Obamas abzuschließen. Es gebe »Skepsis« auf beiden Seiten des Atlantiks, so Kirby.
Zuvor hatte ein Sprecher des US-Handelsbeauftragten Michael Froman die Enthüllungen als »irreführend« bezeichnet. TTIP werde Standards zum Schutz der Verbraucher, der Gesundheit der Bürger sowie der Umwelt »erhalten und nicht abschwächen«. Froman führt die Verhandlungen mit der EU-Kommission. Agenturen/nd
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