Vor dem Ertrinken
Tom Strohschneider über Frankreich und die Krise der Linken
Was in Frankreich derzeit geschieht, ist durchaus typisch für Teile Europas. Erstens ist da eine Regierung, die in einer zentralen Frage (hier: die Arbeitsmarktreform) gegen den Willen der großen Mehrheit handelt und dabei auf autoritäre Instrumente zurückgreift. Zweitens spielen beim Druckmachen für neoliberale Politik (hier: Deregulierung) Unternehmerlobby und EU über Bande, weil sich Brüssel die Interessen des Kapitals zu eigen macht. Dies ist keine »natürliche Eigenschaft« der EU, wie es mitunter auch in linken Köpfen herumspukt, sondern eine Frage von Kräfteverhältnissen. Was, drittens, ein Licht auf die eklatante Schwäche der Linken wirft. In Frankreich sind fast 80 Prozent gegen die Arbeitsmarktreform. Noch größer ist der Anteil derer, die ihre Interessen von der Politik nicht mehr repräsentiert sehen. Das Vertrauen in die »etablierten« Parteien tendiert in Frankreich bereits gegen null - und es profitiert allein die radikale Rechte.
So begrüßenswert es da sein mag, dass sich nun auch in Frankreich auf den Plätzen eine neue, linke Bewegung von unten sammelt, so sehr zielt diese aber »nur« auf eine Wiederaneignung des Politischen jenseits der Parlamente - dort aber werden die Regeln gemacht. »Um dem Regen auszuweichen, springt man ins Wasser«, schreibt die »Libération« zur Krise der parteiförmigen Linken in Frankreich. Am Ende wird die Demokratie darin ertrinken. Wie überall in Europa, wo die Linke über ihre oft selbst verschuldete Schwäche nicht hinwegkommt.
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