Gabriel will die Herzen der Unternehmer öffnen

Bundeswirtschaftsminister appelliert an Firmenchefs, mehr Menschen mit Beeinträchtigung einzustellen / Barrierefreiheit in privaten Unternehmen lehnt seine SPD-Fraktion aber ab

  • Lesedauer: 2 Min.
Sigmar Gabriel zerbricht sich den Kopf der Unternehmer. Um die Teilhabe zu fördern, wünscht er sich, dass Unternehmen mehr Menschen mit Behinderung einstellen. Sein Argument: Solche Firmen seien wirtschaftlich erfolgreicher.

Berlin. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat an die Unternehmen appelliert, mehr Menschen mit einer Behinderung einzustellen. »Es gibt noch viel zu viele, die sich nicht vorstellen können, dass es möglich ist, ihr Unternehmen erfolgreich zu führen, wenn sie eine bestimmte Zahl an Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung anbieten«, sagte der SPD-Parteichef am Donnerstag in Hannover. Probleme seien dabei oft Unsicherheit oder Unwissen. Es gelte daher, die »Köpfe und Herzen« der Unternehmer zu öffnen. Das könne auch ein Beitrag gegen den Fachkräftemangel sein.

Falls Gabriel, wie er es begehrt, tatsächlich Köpfe und Herzen der Firmenchefs erreichen sollte, sähen sich die dann neu einzustellenden Menschen mit Beeinträchtigung allerdings mit ganz anderen Hürden konfrontiert: In Deutschland sind viel zu wenige Gebäude barrierefrei. Als die LINKE erst in der vergangenen Woche einen Entschließungsantrag im Bundestag stellte, der auch private Unternehmen zur Gewährleistung von Barrierefreiheit verpflichten sollte, stimmten die Regierungsparteien SPD und CDU/CSU geschlossen dagegen. LINKE und Grüne stimmten fast geschlossen dafür. Katrin Werner, die behindertenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, zog daraus den Schluss: »Dies zeigt, wieviel Schwarz-Rot echte Barrierefreiheit und Teilhabe wert sind.«

Gabriel lässt sich indessen dadurch nicht in seinem missionarischen Eifer bremsen – und zerbricht sich, wie es dem Selbstbild eines führenden europäischen Sozialdemokraten des 21. Jahrhunderts entspricht, Herz und Kopf der Unternehmer. Die Erfahrung zeige, dass Betriebe, die Menschen mit vielfältigen Lebenserfahrungen beschäftigten, wirtschaftlich erfolgreicher seien als andere, sagte Gabriel. Der Vizekanzler, der von 1999 bis 2003 niedersächsischer Ministerpräsident war, sprach bei einer Fachtagung zum 40-jährigen Bestehen des Berufsbildungswerks im diakonischen Annastift. Dort wurden seit 1976 rund 4.400 junge Menschen mit Behinderung in mehr als 30 Berufen ausgebildet.

Laut Gabriel lassen sich für die Zukunft rund fünf Millionen Menschen aus unterschiedlichen Gruppen als neue Fachkräfte gewinnen. Dazu gehörten Alleinerziehende, Zuwanderer und Menschen mit intensivem Förderbedarf. Gabriel betonte jedoch, dass gleiche Chancen für behinderte Menschen ein Verfassungsgrundsatz seien. Letztlich dürfe der Fachkräftemangel nicht der ausschlaggebende Grund sein, sie zu fördern. epd/nd

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