Abstimmung über Glyphosat vorerst geplatzt

EU-Staaten können sich nicht einigen / Weitere Einsatz von Unkrautvernichter in Europa daher weiter ungewiss / Studie: Pflanzengift im Urin vieler Kita-Kinder nachgewiesen

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Brüssel. Die EU vertagt die Entscheidung über den künftigen Einsatz des umstrittenen Unkrautgiftes Glyphosat erneut: Bei Vertretern der EU-Staaten kam am Donnerstag in Brüssel nicht die nötige Mehrheit für oder gegen die Neuzulassung des Mittels zustande, wie EU-Diplomaten und die EU-Kommission bestätigten. Eine formale Abstimmung gab es daher nicht. Die aktuelle Zulassung gilt nur noch bis zum 30. Juni. Damit wäre nun die EU-Kommission am Zug. Tut sie nichts, läuft die geltende Zulassung aus.

Eine Studie in Nordrhein-Westfalen, die am Donnerstag vom Landesumweltamt NRW vorgestellt wurde, hat unterdessen das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel im Urin zahlreicher Kita-Kinder nachgewiesen. Nach der vorgelegten Untersuchung lag der Stoff bei 63 Prozent der 250 untersuchten Kinder oberhalb der Bestimmungsgrenze von 0,1 Mikrogramm je Liter. Bei 157 Kindern betrug die Konzentration im Mittel 0,26 Mikrogramm je Liter. Der Wert liegt allerdings weit unter dem EU-Grenzwert für die tägliche Aufnahme des Stoffes. Gesundheitliche Auswirkungen seien daher unwahrscheinlich, so die Studie. Trotzdem warnen unabhängige Experten, wie der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) seit längerem vor den Gefahren, die eine Dauerbelastung mit sich bringen könne.

Dass es zwischen den EU-Mitgliedsstaaten in der Frage um die Neuzulassung des Unkrautvernichters bislang keine Einigung gibt, liegt auch an Deutschland. Die große Koalition liegt in der Frage über Kreuz. Während die SPD-Minister gegen die erneute Genehmigung sind, sind die Unionsminister dafür. Glyphosat steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Die Wissenschaft ist in dieser Frage gespalten, Umweltschützer sind gegen das Mittel. In der Landwirtschaft und im Gartenbau wird Glyphosat vor der Aussaat zur Unkrautbekämpfung eingesetzt. In Deutschland kommt es auf etwa 40 Prozent der Felder zum Einsatz.

EU-Diplomaten berichteten, insgesamt seien 19 Vertreter für die Neuzulassung gewesen. Frankreich und Italien sprachen sich demnach dagegen aus. Sieben Staaten, darunter Deutschland, hätten sich in einer formellen Abstimmung enthalten. Eine einfache Mehrheit wäre damit zwar möglich gewesen, allerdings müsste in diesem Fall eine qualifizierte Mehrheit erreicht werden. Dabei kommt es unter anderem die Bevölkerungsgröße an - die deutsche Stimme hätte damit großes Gewicht gehabt.

Die EU-Kommission, die das Treffen leitete, hat nun drei Möglichkeiten vorgeschlagen, wie in Brüssel zu hören war. Eigentlich müsste die EU-Behörde entscheiden, wenn die Staaten sich nicht einig werden. Da es nicht zur formalen Abstimmung kam, könnte die EU-Kommission aber auch einfach nichts tun - damit liefe die geltende Zulassung Ende Juni automatisch aus. Allerdings würde für den Verkauf aktueller Bestände noch eine Übergangsfrist gelten.

Als dritte Option hat die Behörde einem Diplomaten zufolge vorgeschlagen, die geltende Zulassung bis Ende des Jahres zu verlängern, um mehr Zeit für eine Entscheidung zu gewinnen. Dies ist bereits einmal geschehen - eigentlich wäre die Zulassung bereits Ende 2015 ausgelaufen. Den Angaben zufolge sollen die EU-Staaten bis Dienstagabend zu einer erneuten Verlängerung Stellung beziehen. Auch für diesen Beschluss wäre allerdings eine qualifizierte Mehrheit nötig.

Die Grünen begrüßten das Ergebnis des Treffens des sogenannten Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel. »Die deutsche Enthaltung in Brüssel war entscheidend dafür, dass die Glyphosat-Neuzulassung heute zwar noch nicht endgültig gestoppt, aber noch mehr als bisher massiv infrage gestellt wurde«, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. Sein Parteikollege im Europaparlament, Harald Ebner, forderte ein Komplettverbot für Glyphosat. Bundesvorsitzende Simone Peter fürchtete hingegen: »Jetzt besteht die Gefahr, dass die EU-Kommission die Zulassung für Glyphosat im Alleingang verlängert. Das wäre ein Affront gegenüber den Verbrauchern und der Umwelt.«

Auf dem Markt für Glyphosat deutet sich derweil eine wichtige Übernahme an: Der deutsche Chemiekonzern Bayer will sein Agrargeschäft mit dem Kauf des amerikanischen Saatgutkonzerns Monsanto stärken. Monsanto stellt neben gentechnisch veränderten Produkten auch den weltweit meistgenutzten Unkrautvernichter »Roundup« her, der Glyphosat enthält. Bayer kündigte die Absicht zur Übernahme am Donnerstagmorgen an, danach gingen die Aktien des Leverkusener Unternehmens auf Talfahrt. Agenturen/nd

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