Kündigung in Massen statt Streik?

Ver.di setzt auf neue 
Strategien im Kampf um mehr Pflegepersonal

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 3 Min.

Aufregung im Saarland: Die Gewerkschaft ver.di denkt dort laut über Massenkündigungen nach, um Krankenhausbetreibern einen Tarifvertrag für mehr Personal abzutrotzen. Ver.di-Sekretär Michael Quetting erläutert gegenüber »nd« die Idee: »Mindestens 3000 von den 5000 Beschäftigten der saarländischen Kliniken würden ihre Kündigung zu einem ›Tag X‹ bei einem Notar hinterlegen.« Das Drohszenario soll die Arbeitgeber in die Knie zwingen, denn: Kündigen viele Beschäftigte zeitgleich, tritt unmittelbar ein akuter Notstand ein.

Der Vorschlag geht auf einen Lohnkonflikt aus Finnland zurück, bei dem im Jahr 2007 das Drohen mit Massenkündigungen von Pflegekräften erfolgreich angewandt wurde. 20 Prozent mehr Lohn setzte die Gewerkschaft »Tehy« so durch.

Allerdings – betont Quetting – sei die Idee eine unter vielen. Es gehe darum, verschiedene Kampfstrategien auf ihre Tauglichkeit hin zu prüfen. Am Ende müssten die Kollegen selbst entscheiden. Ver.di strebt im Saarland für alle Krankenhäuser einen Tarifabschluss zur Entlastung an, ähnlich wie an der Berliner Charité. Dort konnte mit Hilfe eines unbefristeten Streiks im Juni 2015 ein Tarifvertrag für mehr Personal erreicht werden – bundesweit der erste seiner Art.

Seit Monaten wird im Saarland also an der Streikfähigkeit in den Krankenhäusern gearbeitet. Zwar existieren auch dort bereits Erfahrungen, beispielsweise aus dem Jahr 2006, als am Homburger Uniklinikum 111 Tage Ausstand herrschte. Mit einem breiten Pflegestreik, der die kirchlichen Häuser mit einbezieht, – ein erklärtes Ziel der Gewerkschaft – betritt ver.di hingegen Neuland.

Der erste Testlauf am 21. April im Rahmen der TVöD-Runde brachte eine unerwartete Eskalation mit sich. Die Klinikleitungen verweigerten zum Großteil, die von ver.di angebotene Streik-Notdienstvereinbarung anzunehmen. Diese sollte die Versorgung sichern, aber auch Betten- und Stationsschließungen ermöglichen. An der Charité hat sich das in der Vergangenheit bewährt. Bei den Streiks in der TVöD-Runde wurde die Vereinbarung jedoch – nicht nur im Saarland – von Arbeitgebern abgelehnt. Wohl, damit sich Streiks à la Charité nicht weiter ausbreiten. Klinikarbeitskämpfe, die auch ökonomischen Druck erzeugen, werden so deutlich erschwert. Wenn Betten weiter belegt werden, lassen Pflegekräfte ihre Patienten nicht allein.

Daher ist nun im Saarland eine Debatte darüber entbrannt, wie die Auseinandersetzung weitergeführt werden kann. Am Mittwoch trafen sich Aktive aus vielen saarländischen Krankenhäusern zu einem Ratschlag. Beschlossen wurde, eine »Schleife zu drehen«, sich also Zeit für Gespräche zu nehmen. So sollen die kirchlichen Häuser ins Boot der Entlastungsbewegung geholt und die Diskussionen über die weitere Kampfstrategie breit geführt werden. Die Taktik Massenkündigung wurde bei dem Ratschlag als eine von mehreren auszulotenden Möglichkeiten präsentiert.

Die ver.di-Bundesführung reagierte auf den Vorstoß aus dem Südwesten zurückhaltend. »Wir prüfen das. Unser grundsätzliches Ziel ist eine bundesweit einheitliche Regelung zur Personalbemessung. Jetzt müssen wir uns genau ansehen, welche rechtlichen Konsequenzen das hätte und ob eine Strategie, die ein hohes wirtschaftliches Risiko für den Einzelnen birgt, gangbar ist«, sagte ver.di-Sprecher Jan Jurczyk gegenüber »nd«.

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