Die Zukunft ist links
Wir sind deutschlandweit Teil der sozialen Opposition. Jetzt müssen wir die politische Linke von morgen erfinden.
DIE LINKE trifft sich in Magdeburg zu ihrem Bundesparteitag in einer schwierigen Zeit. Der Frühling hat bittere Wahlniederlagen gebracht. Ganz Europa erlebt einen Rechtsruck. Die Bundesrepublik steht vor derselben Richtungsentscheidung wie der Kontinent: Wollen wir ein abgeschottetes Land werden, in dem die Skrupellosen die Ängstlichen regieren? Oder wollen wir den Weg nach vorn in eine soziale Einwanderungsgesellschaft einschlagen.
In Thüringen regiert ein rot-rot-grünes Bündnis und setzt eine Modernisierungspolitik der linken Mitte um. Wären heute in Thüringen Wahlen, sagen die aktuellen Umfragen, würde Rot-Rot-Grün mit einer stabilen Mehrheit wiedergewählt. In Thüringen zeigt die politische Linke, das sie von vorn regieren kann. Die Erfahrungen lassen sich nicht 1:1 übertragen. Wir tun unser Bestes, wir machen Fehler, wir versuchen immer wieder, es besser zu machen. Aber gerade das vergangene Jahr hat gezeigt, dass Rot-Rot-Grün den Unterschied macht. Als die Zahl der Flüchtlinge stieg, war für uns klar, dass jetzt Haltung und Pragmatismus statt Hysterie und Angstmache gefragt sind. Mir war klar, welches Signal ich setze, als ich den ersten Flüchtlingszug selbst in Empfang nahm. Kein Flüchtling musste bei uns im Zelt schlafen. In Thüringen gibt es kein augenzwinkerndes Einverständnis mit »besorgten Bürgern«. Humanität ist selbstverständlich. Zuwanderung ist eine Chance und keine Bedrohung. Dafür stehen wir ein, und dafür ernten wir Zustimmung und Respekt. Der Rechtsruck ist kein Naturgesetz.
Wenn aus Flüchtlingen schnell Neubürger werden sollen, dann muss eine administrative und legislative Verkehrsregel gelten: Vorfahrt für Integration. Das setzen wir in Thüringen um. Die ersten jungen Flüchtlinge sind in Arbeit und Ausbildung. Die ersten Integrationsklassen sind gefüllt. Flüchtlingskinder gehen in unsere Kitas und werden kleine Thüringer. Die Mitte der Gesellschaft zieht mit. Wir kämpfen darum, dass die Menschen bei uns bleiben und hier in Thüringen arbeiten und Steuern zahlen, weil wir jede fleißige Hand und jeden schlauen Kopf brauchen. Wir gehen den Weg in eine soziale Einwanderungsgesellschaft. Denn Thüringen hat 480 000 Menschen verloren und braucht dringend mindestens 280 000 neue Facharbeiter bis 2025, nur um den Altersabgang auszugleichen. Thüringen muss Zuwanderungsland sein, und die Flüchtlingsintegration ist nur ein kleiner Teil der zu lösenden Aufgabe. Für Thüringen gilt der Satz: Wir schaffen das, aber nicht wegen der Kanzlerin sondern trotz ihrer Bundesregierung.
Ja, auch wir stoßen schmerzhaft an Grenzen. Auch eine von der LINKEN geführte Landesregierung kann nicht verhindern, dass Kommunen geltendes Recht vollziehen, egal ob es ihr passt. Auch aus Thüringen werden Menschen abgeschoben, 461 im Jahr 2015. Jede einzelne Abschiebung empfinde ich als Niederlage. Hinter jeder steht ein menschliches Drama. Jede, die verhindert werden kann, ist ein kleiner Erfolg. Die Spielräume, die wir haben, nutzen wir. Niemand zählt verhinderte Abschiebungen. Aber die Zahlen sprechen für sich. Das vergleichbar große Sachsen-Anhalt schiebt doppelt so viel ab. Wo sich Spielräume für humanitäre Politik ergeben, müssen wir sie identifizieren und auch nutzen. Aber das wird einen anderen Kampf nicht ersetzen. Wenn wir wollen, dass die Abschiebeflüge am Boden bleiben, dann brauchen wir in Berlin andere Mehrheiten und eine bessere Regierung.
DIE LINKE gehört nicht zum Lager der Kanzlerin. Es ist Merkels Europa, in dem keine Regeln mehr gelten außer dem Recht des Stärkeren. Die Höckes und Petrys sind die Geister, die sie selbst gerufen hat. Auch mit denen gibt es keine gemeinsame Sache und keine gemeinsame Sprache. Die sind rechts, wir sind links, so einfach ist das. Wir haben eine Zukunft als Plattform für die vielen, die dieses Land nach vorn verändern wollen, die wirklich eine bessere Regierung verdient haben, endlich eine Regierung ohne CDU und CSU. DIE LINKE muss die Machtfrage stellen. Wir sind deutschlandweit Teil der sozialen Opposition. Jetzt müssen wir die politische Linke von morgen erfinden. Die Zukunft liegt diesseits der Mitte, die Zukunft ist links. Wenn wir diesen Satz nicht mehr laut sagen, dann geben wir den Gestaltungsanspruch der politischen Linken auf. Und das sollten wir ganz und gar nicht.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.