Mordsmäßig gut!
Martin Walker, der Erfinder von Kommissar Bruno, machte das Perigord zur Sehnsuchtsadresse für Krimifans, Weinfreunde, Gourmets und Naturliebhaber
Ein Jahr lang war Ruhe in Saint-Denis, einem beschaulichen Städtchen im Perigord im Südwesten Frankreichs, nun muss Kommissar Bruno erneut ermitteln: zum achten Mal in acht Jahren. Ausgerechnet nach einem Fest, zu dem auch er eingeladen war, passierte es: Am Morgen danach wird ein Mann im Weinkeller des Gastgebers tot aufgefunden. Was zunächst nach einem Unfall aussieht, lässt bei Bruno schon bald Zweifel aufkommen. Er ahnt, dass im Keller des Kriegshelden Marco Desaix mehr als nur die eine Leiche zu finden ist.
Warum musste der Mann sterben, und wer ist sein Mörder? Nur einer könnte die Fragen beantworten, doch der schweigt hartnäckig. Dabei ist er von Anfang an zutiefst in den Fall verstrickt - der Schriftsteller Martin Walker. Er weiß genau, wie der Mörder tickt, kennt alle Geheimnisse der trauernden Hinterbliebenen, und er kennt Bruno, wie niemand anders. Kein Wunder, hat er ihn doch ebenso erfunden wie die ganze mörderische Geschichte.
Wie die sieben vorherigen Fälle, die seit 2009 jedes Jahr im Frühling von vielen seiner Fans stets sehnsüchtig erwartet werden. Längst ist der smarte Kommissar auch mir zu einem guten Bekannten geworden, schon zig Mal habe ich - in der Fantasie - mit dem begeisterten Hobbykoch und Gourmet gemeinsam gekocht, geschlemmt und an langen Abenden so manche Flasche der hervorragenden Bergerac-Weine aus seiner Heimat geleert. Bruno hat mir in den vergangenen Jahren so oft von den Schönheiten des Perigords erzählt, dass ich es nun endlich mit eigenen Augen sehen wollte und hingefahren bin.
Ich traf viele Leute, die mir aus den Büchern längst vertraut waren. Denn außer Bruno, dessen Vorbild im richtigen Leben Pierre Simonet heißt und Polizeichef in dem beschaulichen knapp 3000-Seelen-Städtchen Le Bugue - alias Saint-Denis - ist, sind die meisten Romanhelden auch im richtigen Leben gute Freunde des Autors, die ihn zu so mancher Episode in den Büchern inspiriert haben.
Wie Pierre Desmartis und François-Xavier de Saint-Exepéry, zwei Spitzenwinzer des Perigords. Der eine produziert Brunos und Martin Walkers Lieblingsweiswein, die Cuvée «Quercus», der andere beider Rotweinfavorit, die Cuvée «Grand Millésime», ein Pécharmant. Beide besuchte ich in ihren Weingütern und erfuhr viel Interessantes über die Weine des Perigord, die in Deutschland fast unbekannt sind. Qualitativ müssen sie sich wahrlich nicht hinter denen der benachbarten Region, des Bordeaux, verstecken, preislich sind sie um einiges günstiger. Nur der goldgelbe, süße, likörartige «Monbazillac» schaffte es zu Weltruhm, dem das gleichnamige Renaissanceschloss aus dem 16. Jahrhundert, hoch überm Tal der Dordogne gelegen, ein kleines Museum gewidmet hat.
Im «Maison des Vins» (Haus der Weine) in Bergerac, das in einem Kloster aus dem 17. Jahrhundert untergebracht ist, erfahre ich mehr über die Weinregion: Hier können sich Laien über deren Geschichte informieren, ihre Sinne für Aromen schärfen, sowie die Weine von vielen der rund 1200 Winzer der Region verkosten und Profis sich weiterbilden.
Bergerac am Fluss Dordogne gelegen, war bis ins 19. Jahrhundert vor allem eine Hafenstadt, von der aus die in Fässer abgefüllten Bergerac-Weine ihre Reise nach England und Holland antraten. Ihren mittelalterlichen Charme konnte sie sich erhalten. Auch Bruno zieht es immer mal wieder hierher, in seinem jüngsten Fall allerdings wird ihm eine heiße Liebesnacht in der Stadt fast zum tödlichen Verhängnis.
Noch eine Runde durch die engen Gassen mit ihren typischen Steinhäusern, dann wird es Zeit, weiterzufahren ins Tal der Vézère, das oft auch als die «Wiege der Menschheit» bezeichnet wird und seit 1979 zum UNESCO-Welterbe gehört. Hier wurden erstmals Überreste des Cro-Magnon-Menschen gefunden, der vor etwa 40 000 Jahren lebte. Zahlreiche prähistorische Stätten und Höhlen gibt es hier, deren berühmteste Lascaux bei Montignac ist, die der französische Priester und Archäologe Abbé Breuil als die «Sixtinische Kapelle der Vorgeschichte» bezeichnete. Kurz nachdem sie am 12. September 1940 entdeckt wurde, stand Pablo Picasso staunend in der Höhle, betrachtete die Hunderte mehr als 17 000 Jahre alten Zeichnungen von Menschen und Tieren und stellte fest: «Wir haben nichts Neues gelernt!» Von da an strömten die Menschen, um das Wunder mit eigenen Augen zu sehen. Mit fatalen Folgen: Das durch die Atemluft entstandene Kondenswasser bildete Schimmel an den Wänden, der die Zeichnungen zu zerstören drohte. Deshalb entschied man sich 1963, Lascaux für die Öffentlichkeit zu schließen und eine exakte Nachbildung zu schaffen, die seit 1983 zu besichtigen ist. Eine perfekte Imitation.
Für mich, wie für viele Bruno-Fans, steht auch die kleinste der vielen Höhlen des Tals, die Grotte du Sorcier (Höhle des Zauberers), auf dem Besuchsprogramm. Nicht nur, weil man den Ort sehen will, wo Bruno in seinem ersten Fall seine Pariser Kollegin Isabelle zum erstem Mal küsste, in die er sich unsterblich verliebt hatte. Im fünften Fall, einem gruseligen Ritualmord, wird die winzige Höhle sogar zum Hauptschauplatz. Kaum habe ich sie betreten, schon fühle ich mich wieder mittendrin im mörderischen Geschehen und ertappe mich dabei, wie ich vorsichtig den Raum scanne - man kann ja nie wissen!
Nur noch wenige Kilometer sind es von Sorcier nach Le Bugue, wo ich mit Martin Walker verabredet bin - in seinem und Brunos Lieblingscafé, der «Patisserie Cauet» am Markt. Wie oft auch Bruno, beginnen wir hier den Tag bei einem Croissant und Kaffee, bevor wir fürs Mittagessen auf dem Markt einkaufen. Und wieder ist es wie eine Zeitreise, all die Händler kenne ich aus den Büchern. Denn in ihnen wird vor allem die Küche des Perigords auf den Sockel gehoben, es wird lustvoll geschlemmt. Deshalb auch der gute Rat an alle Bruno-Neulinge: Niemals hungrig an die Lektüre gehen, das wäre seelische Folter!
Zuhause bei der gemeinsamen Vorbereitung des Essens ist Zeit, Martin Walker ein wenig auszufragen, wie es überhaupt zu Bruno kam. Und ich erfahre, was ich längst ahnte: Auch wenn es unromantisch klingt, Bruno ist für ihn ein Vehikel, um seine Liebe zur Landschaft, zur Küche, den Weinen und vor allem zu den Menschen mit möglichst großer Breitenwirkung darzustellen. Was ihm bestens gelungen ist, denn inzwischen werden die Krimis in 15 Sprachen übersetzt, sein treuestes Publikum hat er in Deutschland, wo inzwischen 1,5 Millionen Exemplare verkauft wurden.
«Seit unsere Familie vor über 20 Jahren erstmals hier Urlaub machte, bin ich dem Perigord verfallen», erzählt er. Vor 17 Jahren kaufte der Schotte in Le Bugue ein altes Bauernhaus, wo die Familie einen Teil des Jahres lebt. Zuvor war er 25 Jahre lang politischer Redakteur der britischen Tageszeitung «The Guardian, schrieb Sachbücher über den Kalten Krieg, über Gorbatschow oder Clinton. Jetzt sind es vor allem Krimis; oder man könnte auch sagen: Hauptberuflich ist Martin Walker der beste Botschafter des Perigords. Denn inzwischen kommen die Touristen in Scharen, um auf Brunos Spuren zu reisen. Darauf einen Schluck vom neuen Bruno-Wein, den Walker mit Freunden kreiert hat und dessen erste Flasche ich die Ehre habe, mit Martin zum Mittagessen zu verkosteten. Auf Bruno!
Infos
Bruno-Krimis:
Acht Bruno-Krimis und »Brunos Kochbuch« sind bislang im Diogenes Verlag erschienen. Ende Juli folgt »Brunos Küchenkalender«. www.diogenes.ch
Brunos Website:
www.brunoaufdeutsch.com
Tipp: Martin Walker ist mit seinem neuen Buch »Eskapaden« gerade auf Lesereise in Deutschland unterwegs. Termine unter www.diogenes.ch
Weine aus dem Bergerac: www.vins-bergerac.fr/de/
Literatur:
»Südwestfrankreich«, Michael Müller Verlag, 20,90 €
Touristische Infos zu Frankreich: de.rendezvousenfrance.com
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.