Ein Riesenrad, das Boote hebt

Das Falkirk Wheel ist weltweit das erste und einzige Dreh-Schiffshebewerk – ein Blickfang und Hotspot für Touristen

  • Michael Marek
  • Lesedauer: 4 Min.
Falkirk Wheel: Ein Schiffshebewerk, das nach dem Prinzip eines Riesenrads gleichzeitig zwei Tröge mit den Narrowboats hebt und senkt. Seit 2002 wird so ein Höhenunterschied von 24 Metern überwunden.
Falkirk Wheel: Ein Schiffshebewerk, das nach dem Prinzip eines Riesenrads gleichzeitig zwei Tröge mit den Narrowboats hebt und senkt. Seit 2002 wird so ein Höhenunterschied von 24 Metern überwunden.

Falkirk, 35 Kilometer westlich von Edinburgh: 1298 wurden hier die schottischen Freiheitskämpfer um William Wallace von den Engländern geschlagen. Wenn überhaupt, dann ist das Städtchen außerhalb Schottlands durch das Hollywood Epos »Braveheart« bekannt geworden. Zu Unrecht, denn in Falkirk steht das modernste und wohl schönste Schiffshebewerk der Welt. Weltweit gibt es kein zweites Bauwerk, das seinem außergewöhnlichen Design gleichkommt.

Manche Besucher erinnert das Falkirk Wheel an eine zweischneidige keltische Axt. Andere sehen in dem kreisenden Schiffshebewerk das Gerippe eines Wals oder einen überdimensionalen Zigarrenabschneider. Unbestritten aber ist: Das Falkirk Wheel hebt Schiffe nicht horizontal wie in einem Fahrstuhl von oben nach unten und umgekehrt. Stattdessen bewegt sich die Stahlkonstruktion wie bei einem Riesenrad in einer Kreisbewegung. Damit ist es eine Ausnahme unter den weltweit über 40 in Betrieb befindlichen oder stillgelegten Anlagen.

Wie das Falkirk Wheel funktioniert, erfahren die Besucher im angeschlossenen Ausstellungspavillon: In dem futuristisch anmutenden Bau aus Glas und silbrig schimmernden Aluminium werden per Videofilm und Schautafeln die Geheimnisse des Hebewerkes erklärt. Dazu gehört ein sich auf Knopfdruck bewegendes Modell des weltweit ersten und einzigen Trommel- oder Rotationshebewerks.
Daneben befindet sich ein großer Speichersee. Hier warten Mitarbeiter, um den Hebevorgang in Echtzeit zu demonstrieren.

Beim Hebevorgang geschieht oben wie unten jeweils das Gleiche: Die Schleusentore schließen sich, anschließend werden die Boote in einer Kreisbewegung von 180 Grad nach oben beziehungsweise nach unten gehoben. In der Mitte treffen sich die Gondeln. Oben beziehungsweise unten angekommen, öffnen sich die Schleusentore. Jede der beiden Gondeln enthält 250 000 Liter Wasser, aber pro Hebevorgang gehen nur fünf Liter Wasser verloren – verglichen mit anderen Hebewerken ist das extrem wenig.

Die zwei Gondeln befinden sich an den Enden eines riesigen Stahlarmes. Sie sind 27 Meter lang und tragen jeweils bis zu 300 Tonnen. Sind beide Gondeln oben und unten gefüllt, dreht sich das Riesenrad, während die Boote in den Kammern aufgrund der Trägheit des Wassers weiterhin parallel zum Grund bleiben. Für den gleichmäßigen Rundlauf sorgen zehn Hydraulikmotoren, die im Inneren der vier Meter dicken Drehachse stecken und ihre Kraft direkt an die beiden weit ausladenden Arme weitergeben. Der ganze Hebevorgang dauert nicht mehr als 15 Minuten, der Energieverbrauch dafür ist mit 1,5 Kilowattstunden außerordentlich gering und entspricht der Energie, die nötig ist, um zehn gefüllte Wasserkocher auf 100 Grad zu erhitzen.

Das Zahnradgetriebe hält die Gondeln waagerecht.
Das Zahnradgetriebe hält die Gondeln waagerecht.

500 000 Besucher kommen jährlich zum Falkirk Wheel, was es zu einer der meistbesuchten Ingenieursattraktionen Schottlands macht. Zum Vergleich: Das Schiffshebewerk Niederfinow bei Berlin, eines der bekanntesten Europas, zieht etwa 150 000 Besucher pro Jahr an. 30 Millionen Euro kostete das 2002 eingeweihte Schiffshebewerk, das ausschließlich der Freizeitschifffahrt dient – ein bemerkenswert günstiger Betrag für ein Millennium-Projekt dieser Größenordnung. Das Falkirk Wheel beweist, dass innovatives und funktionales Design nicht nur mit vergleichsweise moderaten Kosten realisiert werden, sondern gleichzeitig auch ein Touristen-Hotspot von internationalem Rang sein kann.

Rund 1200 Tonnen Stahl wurden verbaut. Bis zu acht der für die britischen Kanäle typischen Langboote können in einem Rutsch gehoben und gesenkt werden. Diese sogenannten Narrowboats sind bis zu 22 Meter lang, aber nur 2,20 Meter breit. Sie sind also sehr schmal und waren speziell für das britische Kanalsystem entwickelt worden. Hier liegt der Nachteil des Falkirk Wheel: Außer den Schmalbooten sowie kleineren Motor- und Segelschiffen passt nichts in die beiden Gondeln. Große Frachtschiffe sind daher ausgeschlossen. Von wegen Super-Post-Panamax-Klasse!

Das Schiffshebewerk dreht sich auf halbem Weg zwischen Edinburgh und der Arbeitermetropole Glasgow: 1790 wurde der »Forth and Clyde Canal« fertiggestellt. Damit hatte man an der schmalsten Stelle in Schottland eine 60 Kilometer lange Verbindung zwischen der Irischen See im Westen und der Nordsee im Osten. Dazwischen liegen 48 Meter Höhenunterschied, was zahlreiche Schleusen erforderlich machte. Auf den künstlich angelegten Wasserstraßen wurden einst Kohle transportiert, Textilien und Produkte der metallverarbeitenden Industrie. Mit Beginn des Eisenbahnzeitalters verloren die Kanäle allmählich an Bedeutung und wurden stillgelegt. Im Zuge der britischen Millenniums-Projekte setzte ein Umdenken ein, das alte Kanalsystem wurde wieder instand gesetzt. Herzstück dieser Sanierung war das Falkirk Wheel, das insgesamt elf Schleusen ersetzt.

Tipps
  • Anreise: Zum Beispiel mit Euro­wings und Ryanair nach Glasgow oder Eding­burgh, von dort weiter mit Linienbussen oder der Bahn in ca. 30 Mi­nu­ten bis Station Falkirk High.
    www.scotrail.co.uk
  • Aktivitäten: Erwachsene zahlen für den Besuch des Falkirk Wheel einschließlich einer 60-minü­ti­gen Boots- und Lift­fahrt 17,70 Pfund, Kinder von 5 bis 15 Jahren 9,60 Pfund. Das Falkirk Wheel ist von Novem­ber bis Fe­bruar mittwochs bis sonntags jeweils von 9.45 bis 15.30 Uhr geöffnet, von März bis Oktober täglich von 9.30 bis 18 Uhr.
    www.scottishcanals.co.uk/visit/canals/visit-the-forth-clyde-canal/attractions/the-falkirk-wheel
  • Falkirk: Die Stadt ist auch die Heimat von The Helix, einer außer­gewöhn­lichen Park­land­schaft zum Rad­fahren, Wandern und für den Wasser­sport. Haupt­attrak­tion sind die Kelpies, die größten Pferde­skulp­tu­ren der Welt.
    www.visitscotland.com/info/see-do/the-helix-home-of-the-kelpies-p889261
  • Allgemeine Informationen:
    www.scottishcanals.co.uk
    www.visitscottland.com
    www.visitbritain.com

    Höhepunkt eines jeden Besuchs ist eine einstündige Bootsfahrt. Dabei wird man vom Speichersee, der vor der Hebe-Einrichtung liegt, 35 Meter in die Höhe befördert. Danach fährt man ein Stück auf dem Union-Kanal. Anschließend geht es zurück zum Hebewerk. Dort bringt das Falkirk Wheel Boote und Besucher wieder auf Startniveau. Oben wird man mit einem grandiosen Blick über die idyllische Seen- und Tallandschaft der Lochs und Glens belohnt.

    In den 90er Jahren wurden in der Gegend um Falkirk häufig unerklärliche Himmelsphänomene beobachtet. Ufologen sprachen sogar vom »Roswell Europas«. Beweise für die fliegenden Untertassen? Fehlanzeige! Vielleicht waren es nur die rotierenden Boote des Falkirk Wheel.

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