Neue Spielregeln für die Digitalwirtschaft gesucht
Bundeswirtschaftsministerium will mit »Grünbuch Digitale Plattformen« Online-Konzerne regulieren und zum öffentlichen Diskurs anregen
Berlin. Das Bundeswirtschaftsministerium will den Unternehmen der digitalen Wirtschaft neue Spielregeln verordnen. »Wir müssen der Digitalisierung eine Richtung geben«, sagte der Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) der »Süddeutschen Zeitung«. So will das Wirtschaftsministerium die Digital-Konzerne dazu bringen, dass sie in Deutschland bekanntmachen, ob und wann sie Preise individuell je nach Käufer festlegen (genannt Scoring). Das berichtet die »Rheinische Post«.
In einem »Grünbuch Digitale Plattformen« sollen zwölf Thesen und 52 konkrete Fragestellungen vorgestellt werden. Mit ihnen will das Ministerium neue Ansätze erarbeiten, wie mit den Digitalriesen umzugehen ist. Anfang 2017 würden die Antworten vorliegen. Zwölf Arbeitsgruppen sollen sich der Themen annehmen. Sie werden mit Vertretern aus der Wirtschaft, der Wissenschaft, mit Gewerkschaftern, Daten- und Verbraucherschützern besetzt. Über die Seite »de.digital« soll sich aber grundsätzlich jeder einbringen können.
Das Papier regt unter anderem an, dass Kunden per Gesetz erlaubt wird, neben ihrem echten Namen auch eines oder mehrere Pseudonyme in sozialen Netzwerken zu nutzen. Dies steht allerdings im Widerspruch zu einer Forderung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der CDU-Politiker hatte am Wochenende in der Debatte um anonyme Hasskommentare im Internet eine Art Vermummungsverbot ins Gespräch gebracht. »Wir haben für Demonstrationen das Vermummungsverbot eingeführt«, sagte der CDU-Politiker. »Es ist keine Schande, für ein öffentliches Anliegen mit seinem Gesicht friedlich zu demonstrieren. Die Vermummung ist im Internet genauso falsch wie bei einer öffentlichen Demonstration. Das Bekenntnis zum Namen ist richtig und führt zur Mäßigung im Umgang mit der Sprache.«
Neben Regeln will das Wirtschaftsministerium laut »Grünbuch« Digitalfirmen künftig auch mehr Freiraum geben, so der Bericht. Es werde ausdrücklich gefordert, neue Ideen »nicht durch überbordende Regulierung schon im Keim« zu ersticken. Der Staat müsse zwar für Datenschutz eintreten, aber er müsse auch die Möglichkeiten eröffnen, »durch Datennutzung neue Geschäftsmodelle und neue Dienstleistungen zu entwickeln«.
2010 war im Rahmen einer Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) unter den Paragraphen 28 a und 28 b das sogenannte Scoring-Verfahren legalisiert worden. Hierbei handelt es sich zunächst um eine Technik, bei der Auskaunfteien, wie etwa Schufa, Bürgel oder Creditreform die Kreditwürdigkeit von Unternehmen oder Privatpersonen anhand bestimmter mathematischer Berechnungen bewerten.
Mittlerweile nutzen auch große Online-Händler Scoring zur »individuellen Preisgestaltung«. Durch statistische Erhebungen oder beispielsweise die Auslesung des Internetverlaufs anhand von Cookies errechnen Algorithmen die Wahrscheinlichkeit, zu welchem Preis Kunden etwas kaufen.
Datenschützer kritisieren einerseits die damit einhergehende Datensammelwut besagter Unternehmen, andererseits monieren sie, dass Kunden oftmals von ihrer Scoring-Beurteilung nichts mitbekämen und daher auch nicht wüssten, ob sie zu viel oder zu wenig für ein Produkt bezahlt hätten.
2012 hatte das Online-Reiseprotal »Orbitz« für Schlagzeilen gesorgt, weil es einem Bericht des »Wall Street Journal« zufolge, Nutzern von Apple-Geräten ein anderes Suchergebnis anzeigte, als Windows-Anwendern. Demnach hatte Orbitz angeblich herausgefunden, dass erstere Zielgruppe bereit sei, im Schnitt 30 Prozent mehr Geld auszugeben, als Windows-User. Ein Algorithmus des Systems erkannte anhand des Browser das verwendete Betriebssystem des potentiellen Käufers. fbr/mit Agenturen
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