Nazis drohen Justizminister Maas

SPD-Politiker: »So viel Rohheit wie heute habe ich nie erlebt.« / Polizeischutz für Özdemir nach Drohungen türkischer Nationalisten erhöht

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erhält massive Drohungen aus der Neonaziszene. Es gebe »Morddrohungen mit Ort, Datum, Uhrzeit«, sagte Maas der »Bild am Sonntag«. »Ich bin seit 20 Jahren in der Politik, so viel Rohheit wie heute habe ich nie erlebt.« Das, was geschrieben und geschickt werde, sei »unterirdisch und voller Hass.« Einmal habe jemand sogar eine Neun-Millimeter-Patrone in den Briefkasten seiner Privatwohnung geworfen.

Deutlich zugenommen hätten die Attacken, nachdem er »Pegida« als eine »Schande für Deutschland« bezeichnet habe: »Seit diesem Tag steigt es konstant weiter.« Auf die Frage, wer ihn angreife, antwortete der Justizminister: »Vor allem 'Pegida', AfD, NPD und was es sonst noch in der rechten Ecke gibt. Das ist der Teil der Gesellschaft, der sich auch sonst in Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ergießt.«

Er lasse sich nicht einschüchtern. »Vieles, was da kommt, ist einfach so ekelhaft, das kann ich persönlich gar nicht ernst nehmen. Es berührt mich nicht mehr«, sagte Maas. »Ich möchte meine Arbeit unbeeinflusst von irgendwelchen Hasskommentaren machen, seien sie noch so heftig.« Das meiste ignoriere er, »allein schon, weil es einfach zu viel ist«. Nach einem Talkshowauftritt »kommen schon mal locker 500 Zuschriften«.

Die schlimmsten Fälle leite er weiter, bei Fällen von Volksverhetzung oder der Androhung eines konkreten Verbrechens müsse die Staatsanwaltschaft von sich aus ermitteln. Die meisten hetzten nicht mehr anonym. »Die Mehrheit benutzt mittlerweile ihren richtigen Namen«, sagte der SPD-Politiker. »Viele fühlen sich in ihrer Weltsicht bestätigt, weil sie in den sozialen Netzwerken Gleichgesinnte finden. In dieser vermeintlichen Masse fühlen sie sich dann sicher.«

Er sei als Bundesminister gut vor Übergriffen geschützt. »Für die Kommunalpolitiker, Bürgermeister, Landräte ist es viel härter.« Der Oberbürgermeisterin von Zwickau seien zu Hause die Scheiben eingeworfen worden. »Die zeigt wirklich Courage, indem sie sich nicht einschüchtern lässt«, lobte Maas.

Auch Grünen-Chef Cem Özdemir hatte zuletzt mit massiven Anfeindungen zu kämpfen – allerdings von einer anderen Seite: Weil sich der Politiker wiederholt kritisch zum türkischen Präisdenten Erdogan äußerte und als einer der Initiatoren der diese Woche vom Bundestag beschlossenen Völkermord-Resolution gilt, gingen in seinem Büro massive Drohungen ein, wie die »Welt am Sonntag« berichtet. Inzwischen hat sogar die Polizei reagiert und den Schutz Özedmirs erhöht. »Es gibt leider auch eine türkische Pegida«, so der Grünen-Vorsitzende. »Rechtsradikalismus ist kein deutsches Privileg. Das gibt es leider auch in der Türkei und unter Deutschtürken.« Besonders Erdogan-Anhänfer und türkische Nationalisten lehnen Einstufung des Massenmords an den Armeniern als Genozid ab. Agenturen/nd

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