Ferienwohnungen bleiben verboten

Vermieter scheitern vor Gericht mit Klagen gegen die Zweckentfremdungsverordnung

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.

Selten zuvor war ein Gerichtssaal so überfüllt und überhitzt, wie bei der Verhandlung am Mittwoch zum Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum. Die Kläger sind Privatpersonen und kleinere Unternehmen, die ihren in ihrem Eigentum befindlichen Immobilien dauerhaft an Urlauber vermieten wollen. Mit ihrer Klage die seit zwei Jahren geltende Zweckentfremdungsverbot-Verordnung zu kippen, scheitern die Kläger am Mittwoch vor Gericht. Ihre Klagen werden von dem Verwaltungsgericht abgewiesen.

Durch die Verordnung soll »Wohnraum vor Zweckentfremdung durch Leerstand, Abriss und der Umwandlung in Gewerberaum oder Ferienwohnung« geschützt werden, wie es in einer Senatsinformation heißt. Bis zum 1. Mai 2016 galt allerdings eine zweijährige Übergangsfrist. Wer seine vier Wände dennoch anderwertig gewerblich nutzen will, benötigt ein so genanntes Negativattest für Ferienwohnungen. Ein Negativattest wird nur in Ausnahmefällen erteilt, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Den Klägern wurde diese Bescheinigung jedoch verweigert, deshalb zogen sie vor Gericht. Mit der Verweigerung des Negativattests werde der allgemeine Gleichheitsgrundsatz verletzt, erklärten sie.

Die Klägeranwälte argumentierten, dass sich in den vergangenen Jahren im Bereich Ferienwohnungen ein völlig neuer Wirtschaftszweig, ein neuer Beruf entwickelt habe. Somit verstoße das Verbot auch gegen die Berufsfreiheit. Der Ferienwohnungsbereich wuchs genau in der Zeit, als Berlin über Leerstand klagte und in Marzahn ganze Wohnviertel abgerissen wurden. Ferienwohnungsvermieter, erklärte ein Anwalt, ist ein seriöser und respektabler Beruf. Würde man hier die Axt anlegen, wären viele in ihrer Existenz bedroht. Sie böten spezielle Dienstleistungen an die Besucher der Stadt, die eben gerade nicht in einem üblichen Hotel wohnen möchten oder die Hotelpreise nicht zahlen könnten. 2002 fielen die Gesetze zur Zweckentfremdung. In dieser Zeit entstand der Ferienwohnungsmarkt. Als Wohnraum wieder knapp wurde, hatten viele bereits in diesem Bereich investiert.

Die Zahl der so genutzten Quartiere in Berlin schwanken zwischen 6000 und 23 000. Auf jeden Fall machen sie nur einen geringen Anteil von geschätzt 1,9 Millionen Wohnungen der Stadt aus. Ihre Rückführung würde kaum zur Entlastung des Wohnungsmarktes beitragen. Deshalb fordern sie Bestandsschutz für die bestehenden Einheiten, die bis zum 1. Mai 2014 entstanden sind.

Durch die Medien sei in den letzten Jahren der Eindruck entstanden, als sei Berlin von Ferienwohnungen überschwemmt worden. »Wir sind nicht die Schmuddelkinder der Stadt«, erklärten die Anwälte. Die Kläger zweifelten zudem an, dass der Wohnungsmangel für die gesamte Stadt gelte. Alle Statistiken und Gutachten würden auf unterschiedlichen Angaben basieren. So seien bei der letzten Erhebung zur Stadtbevölkerung 2011 etwa 179 000 Einwohner weniger gezählt worden, was der Senat bestreitet. Ferienwohnungsvermieter machen für sich die gleichen Rechte geltend wie für Arztpraxen oder Anwaltskanzleien. Hier würde niemand auf die Idee kommen, sie aus Wohnungen zu verbannen.

Aus Sicht der Senats- und Bezirksanwälte gibt es keinen Grund, die gesetzlichen Regelungen aufzuweichen. In Berlin herrsche nun mal eine besondere Mangellage bei Wohnraum. Die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen sei im gesamten Stadtgebiet gefährdet. Deshalb sei die Verweigerung eines Negativattests richtig und angemessen im Interesse der Bürger.

Das Verwaltungsgericht Berlin schloss ich am Nachmittag den Argumenten des Senats und der Bezirke an und verwarf die Klage der Vermieter von Ferienwohnungen. Es werde weder die Berufsfreiheit noch das allgemeine Gleichheitsgesetz verletzt, erklärten die Richter. Zwar stelle die Verweigerung des Negativattests ein Eingriff in die Grundrechte der Vermieter dar, doch gehe es in diesem Fall um die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum.

In der vergangenen Woche hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bereits eine Entscheidung zu Ferienwohnungen getroffen. Darin wurde festgelegt, dass Wohnungen, die für Ferienzwecke genutzt werden, baugenehmigungspflichtig sind. Eine Klägerin hatte für ein Bauvorhaben nicht die Genehmigung erhalten und zog vor Gericht. Das OVG hatte konstatiert, dass die dauerhafte Nutzung einer Wohnung für Urlaubsnutzung grundsätzlich von allgemeiner Wohnnutzung unterscheidet. Deshalb müsse dafür eine Baugenehmigung eingeholt werden.

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