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Kein Aufschwung für Ältere und Geringqualifizierte

Studie: Langzeiterwerbslose trotz guter Konjunktur und wachsender Beschäftigung ohne Chance / Grüne: Regierung schreibt Arbeitslose über 55 Jahre ab

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Gern lobt sich die Regierungspolitik für die wirtschaftliche Lage - doch Ältere und geringqualifizierte Langzeitarbeitslose haben davon gar nichts. Einer Studie zufolge ist der Anteil der Langerwerbslosen trotz guter Konjunktur und wachsender Beschäftigung immer noch sehr hoch. Wie die Bertelsmann-Stiftung in einer am Freitag veröffentlichten EU-Vergleichsstudie darlegt, ist mehr als jeder dritte Erwerbslose in der Bundesrepublik langzeitarbeitslos (43,1 Prozent). Dabei macht der Anteil der Erwerbslosen über 55 Jahre rund ein Viertel aus (26 Prozent). Der EU-Schnitt liegt in dieser Altersklasse bei 13 Prozent. Fast jeder dritte Langzeitarbeitslose in Deutschland ist gering qualifiziert, wie es weiter hieß.

Auch die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer hat der Bundesregierung vorgeworfen, Arbeitslose über 55 Jahre »abzuschreiben« und zu vernachlässigen. Die Chancen von älteren Arbeitslosen auf eine Förderung seien deutlich geringer als die der Arbeitslosen insgesamt, kritisierte Pothmer gegenüber der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Besonders betroffen seien Frauen. Die Grünen-Politikerin verwies auf Angaben des Bundesarbeitsministeriums, wonach die sogenannte Aktivierungsquote insbesondere bei Arbeitslosen ab 55 Jahren rasant auf 10,8 heruntergeht. Für Arbeitslose ab 60 Jahren stelle sich die Lage nochmals deutlich schlechter dar.

Pothmer forderte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) auf, ältere Arbeitslose nicht länger »aus der Statistik und in die Rente zu drängen«. Die Ministerin könne nicht längere Lebensarbeitszeiten propagieren und gleichzeitig bei der Förderung geizen. »Wer bei der Arbeitsförderung schon 55-Jährige abschreibt, braucht von der Rente mit 67 nicht zu reden. Notwendig sind mehr Investitionen in Qualifizierungen und andere Maßnahmen«, forderte die Grünen-Politikerin. Daten der Bundesagentur zeigten, dass richtig geförderte Ältere genauso große Chancen auf Arbeit wie jüngere Arbeitslose haben.

Die Bertelsmann-Stiftung hatte für ihre Studie das Münchner Forschungs- und Beratungsunternehmen Economix Research & Consulting die Daten der Europäischen Arbeitskräfteerhebung für die 28 EU-Länder auswerten lassen. Demnach waren 2015 EU-weit mehr als zehn Millionen Personen länger als zwölf Monate erwerbslos. Am höchsten ist die Langzeitarbeitslosigkeit in Griechenland (17,7 Prozent), Spanien (10,8 Prozent) und Kroatien (10,4 Prozent). Auf die niedrigsten Werte kommen Großbritannien und Schweden (je 1,5 Prozent) sowie Luxemburg, Dänemark und Österreich (je 1,6 Prozent). Auch in Deutschland ist die Langzeitarbeitslosen-Quote seit 2008 von 3,7 auf 1,9 Prozent gesunken.

Viele südeuropäische Länder litten unter der Abhängigkeit von einzelnen Wirtschaftsbereichen, die in den Krisenjahren massiv eingebrochen seien, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Aart De Geus. Deutschlands Wirtschaft stehe dagegen auf mehreren festen Säulen und hätte sich zügig erholen können. Doch im Gegensatz zu den südeuropäischen Ländern, wo sich die Langzeitarbeitslosigkeit über die gesamte Erwerbsbevölkerung erstreckt, konzentriere sie sich in der Bundesrepublik auf sogenannte Risikogruppen. »Jobverlust im Alter wird in Deutschland zunehmend zu einer Falle, aus der sich die Betroffenen nicht befreien können«, sagte De Geus.

Die auf eine rasche Vermittlung ausgerichtete Politik des Förderns und Forderns stoße bei Langzeitarbeitslosen an ihre Grenzen, sagte auch der Arbeitsmarktexperte der Stiftung, Andreas Schwarzwälder. Er halte es aber für falsch, für eine gute Statistik ältere ALG-II-Empfänger in Frührente zu schicken - wie etwa Schweden und Österreich das machten. Neben einer intensiven persönlichen Fachberatung in den Jobcentern plädierte der Experte für mehr öffentlich geförderte Beschäftigungsprojekte. Agenturen/nd

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