Kein Grund zu Arroganz
Uwe Kalbe über die schwierige Rolle türkischer Vereine in Deutschland
Wie irrational es zugehen kann bei Integrationsdebatten, zeigt die Äußerung eines Vertreters des größten Islamverbandes in Deutschland, der in der ARD meinte, die Mitglieder fühlten sich nicht mehr von den türkischstämmigen Abgeordneten im Bundestag vertreten, seit die der Armenien-Resolution nicht ihre Zustimmung verweigerten. Da hat der Mann etwas falsch verstanden. Die Abgeordneten sind nicht den Mitgliedern ethnischer Minderheiten verpflichtet oder anderen, etwa religiösen Gruppen. Gefälligkeiten unter Berufung auf ethnische Übereinstimmungen einzufordern, gehört nicht zu den legitimen Folgen des Wahlrechts, sie zu erfüllen nicht zu den einklagbaren Pflichten der Abgeordneten.
Freilich legen Interessenübereinstimmungen Erwartungen nahe. Und: Dass Vereine wie Ditib regelmäßig für islamistische Untaten in Haftung genommen werden, zu Distanzierungen aufgefordert und mit Misstrauen beäugt werden, schafft Isolationserfahrungen, zu deren Folgen das empfindliche Beharren auf der »türkischen« Sicht auf die Geschichte gehören mag. Die Armenien-Debatte ist Ausweis auch realer Integrationsversäumnisse der deutschen Gesellschaft. Und deutsche historische Selbstgerechtigkeit - etwa die eigene Nazivergangenheit betreffend - lässt Deutschland nicht gerade als moralische Instanz erscheinen.
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