Russland kommt ins Straucheln
Die Fans halten sich zurück, die Mannschaft beim 1:2 gegen die Slowakei aber auch
Die gute Nachricht am Mittwochnachmittag war, dass Russland wohl erst einmal nicht mit einem Ausschluss von der Fußball-EM in Frankreich rechnen musste. Die Fans der Sbornaja hatten sich beim zweiten Vorrundenspiel gegen die Slowakei ordentlich benommen. Statt zu prügeln wie vor und während der Partie gegen England, beließen sie es bei einem abgebrannten Bengalo. Ansonsten wurde im nicht ganz ausverkauften Stade Pierre-Mauroy von Lille gefeiert. Bis das erste Gegentor fiel.
Eine schlechte Nachricht brachte der Tag für Russland auch: Die Mannschaft von Trainer Leonid Sluzki wird vielleicht trotzdem früh nach Hause reisen müssen. Sie unterlag der Slowakei 1:2 (0:2) und muss nun wohl ihre letzte Partie in der Gruppe B am Montag gegen Wales gewinnen, um sich fürs Achtelfinale zu qualifizieren. Die Slowakei hingegen darf mit ihrem eine Halbzeit lang glänzenden Taktgeber Marek Hamsik bei ihrer ersten EM-Teilnahme damit rechnen, die K.o.-Phase zu erreichen.
Vor der Partie war der Sport jedoch von der Sorge in den Hintergrund gerückt worden, dass sich russische Hooligans wie am vergangenen Samstag in den Straßen und im Stadion gewalttätige Auseinandersetzungen mit Anhängern des Gegners liefern könnten. Der europäische Fußballverband UEFA hatte Russland wegen der Vorfälle von Marseille verwarnt, mit einer Strafe von 150 000 Euro belegt und im Wiederholungsfalle mit einem Ausschluss von der EM gedroht. Nach der Festnahme von 43 russischen Fans am Dienstag hatte sich wiederum das Außenministerium in Moskau beschwert und den französischen Botschafter einbestellt.
»Unsere Fans werden sich jetzt benehmen und niemandem mehr einen Grund geben, uns zu disqualifizieren«, war sich Sluzki schon vor dem Spiel sicher gewesen. Und tatsächlich kam es bis zum Abend zu keinen Zwischenfällen. Die Stimmung zwischen beiden Fangruppen war sowohl in der Stadt als auch am Stadion friedlich. Es wurde gefeiert, wenn auch nicht miteinander, dann immerhin nebeneinander. Was womöglich auch damit zu tun hatte, dass russische Fußballfans die Slowaken als Freunde bezeichnen, im Gegensatz zu den Engländern.
Um die Mittagszeit befanden sich auf dem großen Platz in Lille mehr Polizisten als Fußballanhänger. In der nordfranzösischen Stadt sind aus Angst vor weiteren Krawallen in diesen Tagen rund 4000 Sicherheitskräfte im Einsatz und damit deutlich mehr als am vergangenen Samstag, als es vor der deutschen Partie gegen die Ukraine zu Zwischenfällen im Zentrum gekommen war. Über dem Stadion kreisten immer wieder Hubschrauber, schwer bewaffnete Polizisten patrouillierten vor den Eingängen. Und in der Stadt sollen bis Freitagmorgen die Bars geschlossen bleiben.
Nach Anpfiff rückte endlich der Fußball wieder in den Fokus. Aber so ganz spurlos schienen die Vorfälle von Marseille und die folgenden Diskussionen an der Sbornaja nicht vorbeigegangen zu sein. Die Russen versuchten zwar das Spiel zu gestalten, vor allem über die rechte Seite setzten sie den Gegner immer wieder unter Druck, aber mit Ausnahme einer Kopfballchance von Artjom Dsjuba in der 23. Minute sprang nicht viel dabei heraus.
Die Slowakei verteidigte kompakt und sorgte immer wieder mit gefährlichen Kontern für Gefahr. Der erste Versuch ging noch daneben, ein Distanzschuss von Hamsik in der 10. Minute, der zweite aber saß. Hamsik schlug einen langen Ball vom Mittelfeld auf die linke Seite zu Vladimir Weiss, der Außenstürmer spielte anschließend den russischen Kapitän Wassili Beresuzki sowie Igor Schmolnikow fein aus und traf aus zwölf Metern zum 1:0 für die Slowakei (32.). Beim 2:0 kurz vor dem Pausenpfiff war es dann andersherum. Weiss führte eine Ecke kurz zu Hamsik aus, und der 28-Jährige vom SSC Neapel zirkelte seinerseits den Ball von der linken Strafraumseite ins Tor.
Nach der Pause rannte die russische Mannschaft unermüdlich gegen die Niederlage an und brachte die slowakische Abwehr immer mehr in Bedrängnis. Sie wurde aber nur noch in der 80. Minute mit dem Anschlusstreffer durch den eingewechselten Denis Gluschakow belohnt.
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