Eine Bürgermeisterin für Rom
Italien rüstet für die zweite Runde der Kommunalwahlen
»Wir sind noch nicht am Ziel angekommen, aber am 19. Juni können wir die Geschichte Roms neu schreiben.« Mit diesen kämpferischen Worten geht Virginia Raggi, die erfolgreiche Kandidatin der Bewegung 5 Sterne (M5S), in die Stichwahl am kommenden Sonntag. Raggi hatte im ersten Wahlgang vor zwei Wochen mit über 35 Prozent der Stimmen deutlich dominiert und die Kandidaten von Mitte-Links und Mitte-Rechts abgehängt.
Im zweiten Urnengang muss sich die 37-jährige Juristin nun gegen den von Premier Matteo Renzi unterstützten Mitte-Links-Kandidaten Roberto Giachetti durchsetzen. Viele gehen davon aus, dass Raggi das Rennen machen wird. Giachetti ist ein eher farbloser Kandidat, vor allem aber rechnen Analysten damit, dass das Wahlvolk Renzis Politik abstrafen will. Eine große Rolle spielen dabei auch innerparteiliche Differenzen bei den Demokraten. Die Opposition innerhalb der Demokratischen Partei (PD) Renzis ist mit den Reformplänen des Regierungschefs zu Verfassung und Parlament keineswegs einverstanden. Ex-Premier Massimo D’Alema gehört dem Nein-Komitee für das wahrscheinlich am 2. Oktober stattfindende Referendum an und plädierte öffentlich für die Wahl von Raggi.
Bereits nach dem ersten Wahlgang musste Matteo Renzi einräumen, dass seine PD nicht zu den Gewinnern gehörte. In Neapel setzte sich der Linkskandidat Luigi De Magistris durch. Die PD nimmt an der Stichwahl gar nicht erst teil. In Mailand liegt Renzis Lieblingskandidat Giuseppe »Beppe« Sala nur knapp ein Prozent vor dem Mitte-Rechts-Gegner Stefano Parisi. Der könnte von einer Mitleidswelle profitieren, die von den Anhängern Silvio Berlusconis ausgeht: Der Ex-Cavaliere musste sich nach einer Herzschwäche einer Aortaklappenoperation unterziehen. Seine Anhänger fürchten sowohl um seine Gesundheit als auch um das politische Erbe der Forza Italia. In Turin wähnte sich Amtsinhaber Piero Fassino bereits als Sieger, doch auch der frühere Justizminister der Pd muss sich einem zweiten Wahlgang stellen. Premier Matteo Renzi erklärte in den vergangenen Tagen wiederholt, es handele sich um Bürgermeisterwahlen und nicht um die Beurteilung seiner Politik.
Sollte Virginia Raggi die Wahlen in Rom für sich entscheiden, würde dies nicht nur ein bedeutender Sieg für die Beppe-Grillo-Bewegung M5S sein, sondern könnte auch zum ersten Mal in der Geschichte eine Frau zur Oberbürgermeisterin von Rom machen. Eine mögliche Folge wäre, dass Rom auf die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2024 verzichtet. Raggi hatte erklärt, es sei ihr wichtiger, Schlaglöcher der hauptstädtischen Straßen zu flicken und den Bürgern ein gutes Gesundheitssystem zu geben, als das von Renzi unterstützte Prestigeprojekt umzusetzen. Dafür seien die Stadtsäckel zu leer, meint Raggi.
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