Sternstunden für Rom und Turin

Italienische Kommunalwahlen werden zum Debakel für die Partei von Premier Renzi

  • Wolf H. Wagner, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Frauen der Bewegung Fünf Sterne haben die Bürgermeistersitze in Rom und Turin erobert. Das ist eine schwere Schlappe für Italiens Premier Matteo Renzi.

Mit deutlichem Vorsprung hat die Bewegung Fünf Sterne (M5S) bei den italienischen Kommunalwahlen am Sonntag in Rom und Turin gesiegt. Virginia Raggi, die bereits im ersten Wahlgang vor zwei Wochen als beste Kandidatin abschnitt, wird die erste Bürgermeisterin der Hauptstadt.

Raggis Parteikollegin Chiara Appendino konnte zur Überraschung aller den amtierenden Piero Fassino in Turin überflügeln. Auch in Neapel konnte die vom Partito Democratico (PD) geführte Mitte-Links-Koalition keinen Erfolg verbuchen. Sie hatte nicht einmal die Stichwahlen erreicht, in denen sich Amtsinhaber und Kandidat der Linken, Luigi De Magistris, mit einer Zweidrittelmehrheit bestätigen ließ.

Die Gemeindewahlen erweisen sich als deutliche Abfuhr für die Politik Matteo Renzis. Während die Parteiführung die Niederlage »ohne Beschönigung« eingesteht, wiegelt der Premier und Parteichef ab: Dies sei eine Entscheidung in den Gemeinden gewesen und beträfe nicht Italien. Der wahre Test stehe erst am 2. Oktober beim Referendum über seine Reformen bevor. Die Kandidaten seiner PD konnten sich nur knapp in Mailand und Bologna durchsetzen.

Die Bewegung M5S des Satirikers Beppe Grillo hingegen gibt sich bereits siegessicher für die nächsten Auseinandersetzungen. Man werde immer stärker, hieß es nach den Siegen von Raggi und Appendino. Zu den Parlamentswahlen 2018 sollten sich die etablierten Parteien warm anziehen, denn man müsse auch in Zukunft mit M5S rechnen. Luca Di Maio, eine der führenden Kräfte der Sterne-Bewegung, erklärte, die traditionellen Parteien hätten abgewirtschaftet und kein Konzept für die bevorstehenden Aufgaben. »Es reicht nicht, mit großen Projekten wie Olympia und Wahlreform zu winken, wir sprechen von Nahverkehr, Gesundheitswesen und Jugendarbeitslosigkeit.« Dies habe die Bürger der Hauptstadt überzeugt. Virginia Raggi, die erste und darüber hinaus jüngste Bürgermeisterin Roms, hatte im zweiten Wahlgang sogar noch einmal mehr Stimmen auf sich vereinigen können.

Dies gelang auch der Kandidatin von M5S in Turin. Dort konnte die Protestbewegung, die sich immer mehr zur Partei mausert, dem mehrfachen Minister und früheren Chef der Demokratischen Linken (DS), Piero Fassino, den Rang ablaufen. Fassino gilt als enger Vertrauter Renzis - der Ruf könnte ihm geschadet haben. »Wir haben einige Kommunen verloren, in denen wir lange regiert haben, andere gewonnen, wo die Rechte regierte«, heißt es in einem Kommuniqué der PD. Aus den eigenen Reihen wird Kritik am Führungsstil des »Verschrotters«, wie Renzi auch genannt wird, laut. Es gehe nicht, dass die Partei (und das Land) auf eine Person zugeschnitten werde. Die Kritiker fordern eine Personaltrennung von Partei- und Regierungschef. Dazu müsste die PD in den kommenden Wochen einen Kongress einberufen, auf dem dann sowohl die Statuten geändert als auch ein neuer Parteivorsitzender gewählt werden müsste.

Im Oktober will Renzi sein Verfassungsreferendum abhalten. An den Sieg hatte er seine politische Karriere geknüpft. Dies könnte ein vorschneller Entschluss sein, denn die Fassade des vor zwei Jahren charismatisch angetretenen Regierungschefs bröckelt. Bislang konnte er nicht eine seiner vollmundig angekündigten Reformen erfolgreich umsetzen.

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