Kind sein mit zwei Müttern

Im Kino: Die Doku »Gayby Baby« über schwullesbische Familien

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 4 Min.

Gus liebt Wrestling. Seine Mütter finden das völlig abnorm. Ausgerechnet sie haben also offenbar - mit Spenderhilfe - ein Kind gezeugt, das sich mit zehn Jahren anschickt, so ein richtiger Macho-Mann zu werden. Ein Mann wie die, die ihre eigene Beziehung eben gerade nicht vorsieht.

Gus ist damit eigentlich das schlagende Argument gegen alle, die schwullesbischen Paaren das Adoptieren von Kindern verbieten möchten (und das Kinderkriegen am liebsten gleich mit). Denn dass Gus sich für einen Sport begeistert, zu dessen Fans eher wenige Lesben zählen dürften, beweist eindrücklich, dass das Aufwachsen mit zwei Müttern ein Kind nicht automatisch in eine bestimmte Richtung prägen muss - auch wenn Gus dann tatsächlich selbst erzählt, er sei früher eher zart und sanft gewesen, bevor er das brachial-brutale Wrestling für sich entdeckte.

Dass Gus zum ersehnten Wrestling-Match wirklich gehen darf, obwohl schon die Ticket-Preise den Müttern die Sorgenfurchen auf die Stirn treiben, spricht für die Fairness der Mütter, die sein Interesse nicht teilen, und Gus auch die Gründe für ihre Ablehnung auseinandersetzen, ihm aber trotzdem die Möglichkeiten geben, nach seiner Façon selig zu werden - und am Ende also selbst mit Wrestler-Masken inmitten der brüllenden Fanhorden sitzen. Dass sie parallel dafür sorgen, dass Gus seine Schwester nicht ständig in den Schwitzkasten nimmt, nur weil die den großen Bruder bewundert und deshalb alles mit sich machen lässt, ist schließlich nichts als der Versuch, beiden Kindern gerecht zu werden.

Gus ist eines von vier Kindern aus »Regenbogenfamilien«, die in Maya Newells australischem Dokumentarfilm »Gaybe Baby« im Vordergrund stehen. Drei von ihnen haben lesbische Eltern, ein Junge wurde von einem schwulen Paar adoptiert. Graham, elf Jahre alt, hat Leseschwierigkeiten. Die Verhältnisse in seiner Geburtsfamilie müssen derart katastrophal gewesen sein, dass er mit fünf Jahren erst das Sprechen lernen musste, als er zu seinen Adoptivvätern kam. Die üben jetzt das Lesen mit ihm, erklären seinen Lehrern vorsichtig, was mit Graham los ist, und sind ansonsten ganz normale Eltern.

»Nur« noch Leseschwierigkeiten zu haben, ist für Graham ein enormer Fortschritt. Aber sein Familienleben hält schon die nächste Hürde bereit: Einer seiner Väter wird auf die Fidschi-Inseln versetzt, und dort ist es noch nicht so weit her mit der Akzeptanz schwullesbischer Beziehungen. Wie viel also erzählen, wie viel vorsichtshalber verschweigen, wenn das Thema in der neuen Schule zur Sprache kommt - wo man doch eigentlich stolz sein kann auf das, was man gemeinsam erreicht hat?

Ebony, zwölf Jahre, hofft auf die Aufnahme in einer musisch orientierten höheren Schule, schon weil es dort weniger Erklärungsbedarf für ihre Familie aus Mutter, Mutter, Tochter, Sohn geben würde als in der durchschnittlichen Vorortschule. Und Matt, elf Jahre, hat ein schwer lösbares Problem: Seine Mutter ist gläubig und kirchlich fest verankert, er selbst aber mag keine Religion akzeptieren, die aus ihrer sichtlich liebevollen Beziehung zu ihrer Lebensgefährtin eine Sünde machen will. Statt in die Kirche würde er am Sonntag deshalb lieber Fußball spielen gehen - dazu aber müsste die Mutter ihn fahren, und die möchte ja auf den Kirchgang nicht verzichten.

Der aufgeweckte Matt ist zugleich ein positives Beispiel für den gelungenen Übergang von einer klassisch heterosexuellen Ehe in eine unterschiedlich liebende Patchwork-Familie: Matt und sein Bruder stammen aus der vorangegangenen Ehe der Mutter, haben deren neue Partnerin aber voll als zweiten Elternteil akzeptiert. Ebenso wie Filmemacherin Maya Newell, die selbst aus einer Familie mit zwei Müttern kommt und also aus eigenem Erleben kennt, was sie zeigt. Dass die Familien in ihrem Film nicht alle in wohlgeordneten Verhältnissen leben oder ohne inhärente Schwierigkeiten auskommen, zeigt wohl vor allem eins: Ob glückliche Kindheit oder nicht, ist eine Frage von Charakter und Umständen. Nicht des Geschlechts der Eltern.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -