Rosemarie Sachse
Frauen-Geschichte(n)
Über das kleine Städtchen Schmiedeberg im Riesengebirge, jenseits der Neiße gelegen und seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges als Kowary zu Polen gehörend, gibt es viele Sagen. In dem jahrhundertelang vom Bergbau geprägten Gebiet soll einst Rübezahl einem Naturforscher einen Wunderstab gegeben haben, mit dem er in kürzester Zeit weite Strecken zurücklegen konnte. Es könnte jene Frau gewesen sein, die nicht nur in wenigen Jahren bis ins Anhaltinische und nach Berlin kam, sondern auch eine beeindruckende Karriere schaffte: Rosemarie Sachse, geboren am 24. Juni 1926 in Schmiedeberg.
Sie war eine von zwei weiblichen Rektoren der Hochschule für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft in Bernburg. Damit durchbrach sie eine Männerdomäne, die es auch in der »frauenfreundlichen« DDR gab. Sie war eine von nur acht Frauen unter den 286 Mitgliedern jener Akademie in den 40 Jahren des ostdeutschen Staates.
Rosemarie Sachse hat Stufe für Stufe der Wissenschaftsleiter erklommen. Schon mit 20 arbeitete sie am Aufbau der Landwirtschaftsschule in Tharandt mit. Es folgte eine Aspirantur an der Timirjasew-Akademie in Moskau. An welchen Wissenschaftseinrichtungen sie auch wirkte, sie erwarb sich überall großes Ansehen.
1966 wurde sie zur Professorin mit Lehrstuhl und Rektorin berufen. Auf die Frage eines Kollegen, warum sie ihre erfolgreiche Forschung mit der Lehre vertauschte, antwortete sie, sie wolle Menschen lehren und führen. Doch gerade in dieser Rolle ist sie bis heute umstritten - als ein Mensch, der nur schwer zur Empathie fähig war. Andererseits war sie als einzige weibliche »Agrarmagnifizenz« der DDR einem großen Druck durch Partei und Regierung ausgesetzt.
Ab 1977 arbeitete sie als Direktorin des Instituts für Auswärtige Landwirtschaft und Agrargeschichte der Landwirtschaftsakademie. Hier erschien 1980 unter ihrer Leitung die Dokumentation »Früchte des Bündnisses«, die, in viele Sprachen übersetzt, einen Überblick über die Entwicklung der Landwirtschaft in der DDR bot.Nach der politischen Wende sah auch Rosemarie Sachse ihren Lebenstraum zerstört. Ihre Akademie wurde aus politischen Gründen zerschlagen. Rosemarie Sachse, inzwischen emeritiert, fand keinen neuen Ort für ihre Forschungen. Sie starb 2015.
Rosemarie Blaschke
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