Was die Kleinsten bei dieser EM lernen
En passant - Das EM-Tagebuch: Jirka Grahl sorgt sich um das Seelenheil von Heranwachsenden
Fußball ist Überfluss. So sind seit Turnierbeginn beispielsweise schon 32 810 EM-Fotos an »nd« gesendet worden. Die weltbesten Agenturfotografen bannen in Frankreich die irrwitzigsten Aktionen und krudesten Fans auf ihre Speicherchips: gestochen scharf, perfekt ausgeleuchtet. In der Redaktion könne wir uns oft genug kaum entscheiden, welches Bild wir denn nun ins Blatt nehmen.
Dennoch: Das beste Fußballbild der Woche erreichte mich am Freitag per WhatsApp: Leicht verwackelte Aufnahmen meines sechsjährigen Sohnes auf einem Berliner Kunstrasenplatz, geknipst von meiner Frau. Unser Sohn hat - längst vom EM-Fieber seiner großen Brüder angesteckt - am Freitag erstmals im Verein mittrainieren dürfen, obwohl wir eigentlich noch seine Einschulung abwarten wollten. Doch weil er eben lange genug gequengelt hat, werden also Fußball im Allgemeinen und Borussia Pankow im Speziellen ein paar Jahre sein Leben prägen. Und unseres mit.
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Ein bisschen Sorgen mache ich mir nun schon um den Knaben: Während das erste Match, an das ich mich erinnere, ein spektakuläres 4:0 des FC Carl Zeiss Jena gegen den AS Rom im Europapokal war (nach einem 0:3 im Hinspiel), sind für ihn die EM-Spiele nun die ersten, die er komplett im Fernsehen sehen darf - oder zumindest eine Halbzeit lang. EM-Spiele, in denen im Schnitt nur alle 49 Minuten ein Tor fällt. Ein Turnier, das mit Ultradefensivkicks auf den tiefsten Trefferschnitt seit 1960 zusteuert. Bei uns hat das schon zu konkreten familiären Verwerfungen geführt, weil der Kleine die Aufbleibeerlaubnis bei Partien wie Deutschland-Polen (0:0), Portugal-Österreich (0:0) und Deutschland-Nordirland (1:0) hatte. Regelmäßig gab es Tränen, weil keine oder »viel zu wenig« Tore gefallen sind.
Doch es ist erstaunlich, wie schnell Kinder lernen. Am Samstag ließ mein Jüngster während Kroatien-Portugal erstmals Fußballweisheit aufblitzen: Nach 60 Minuten ging er freiwillig zu Bett.
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