Island schickt Mutterland des Fußballs ins Jammertal
Unser Newsblog zum Turnier +++ Die Achtelfinalspiele am Montag: Italien - Spanien 2:0, England - Island 1:2
Update 23 Uhr: Island schafft das Fußballwunder – und muss nicht mal zaubern
EM-Neuling Island hat desaströsen Engländern die Grenzen aufgezeigt und will sein Fußball-Märchen nun auch im Viertelfinale gegen Gastgeber Frankreich fortsetzen. Mit dem 2:1 (2:1)-Sieg sorgte der Debütant am Montag für eine der größten Überraschungen der Turnier-Geschichte und schoss den enttäuschenden Favoriten aus dem Turnier.
Wayne Rooney brachte England vor 33 901 Zuschauern in Nizza bereits in der 4. Minute per Foulelfmeter in Führung. Doch Ragnar Sigurdsson (6.) und Kolbeinn Sightorsson (18.) schlugen innerhalb von nur zwölf Minuten zurück und versetzten ein ganzes Land in Jubelstimmung.
Island will am Sonntag im Final-Stadion von Saint-Denis nun auch den Titeltraum von Frankreich beenden. Bei England steht dagegen Nationaltrainer Roy Hodgson zwei Jahre nach dem peinlichen Scheitern in der WM-Vorrunde endgültig vor dem Aus. Der Weltmeister von 1966 muss weiter auf den ersten Sieg in der K.o.-Phase einer EM-Endrunde außerhalb des eigenen Landes warten.
Update 21.50 Uhr: Island führt zur Halbzeit - dank Sigthorsson
Ist der Name des Torschützen Programm? Außenseiter Island steht vor der größten Sensation der EM in Frankreich. Zur Halbzeit des Viertelfinales in Nizza führt der Debütant nach einem frühen Rückstand mit 2:1 gegen England. Die Three Lions waren durch einen von Wayne Rooney verwandelten Foulelfmeter in Führung gegangen (4.), halfen dann aber bei den Gegentreffern des ehemaligen Hoffenheimers Gylfi Sigurdsson (6.) und Kolbeinn Sigthorsson (18.) kräftig mit.
Update 20 Uhr: Spanische Ära endet in Saint-Denis
Deutschland kann kommen: Italien hat sich mit einem überzeugenden Auftritt im EM-Achtelfinale gegen Spanien für den nächsten K.o.-Kracher gegen den Weltmeister empfohlen. Giorgio Chiellini (33. Minute) und Graziano Pellè (90.+1) schossen die mutige Squadra Azzurra am Montag vor 76 165 Zuschauern im Pariser Stade de France zum verdienten 2:0 (1:0)-Sieg. Das Team von Trainer Antonio Conte schaffte damit die Revanche für die Finalpleite 2012 und trifft nun am Samstag 21 Uhr in Bordeaux im Viertelfinale auf Joachim Löws WM-Champions. Dann fehlt Thiago Motta wegen einer Gelbsperre. Für die enttäuschenden Spanier, die ihre erste Pflichtspiel-Pleite gegen Italien seit 1994 kassierten, ist nach einer schwachen Vorstellung der Traum vom historischen Titel-Hattrick vorbei.
Update 18.55 Uhr: Spanien gegen Italien von der Rolle – Englische Journalisten wenig zuversichtlich
Italien führt gegen Spanien zur Halbzeit hochverdient mit nur einem Tor Vorsprung. Und Stunden vor dem EM-Achtelfinale Englands gegen Island vertiefen sich zahlreiche Journalisten von der Insel im Pressezentrum von Nizza über kleine Zettel. Tankquittungen, Parkzettel, Zugtickets werden sortiert, fotografiert. Listen mit Beträgen aus drei Wochen Fußball-EM in Frankreich erstellt, in Abrechnungsprogramme übertragen. Warum das Ganze? »Heute kann das Turnier zu Ende sein«, sagt einer. England, K.o.-Runde, drohendes Elfmeterschießen - da sinkt das Vertrauen ins Team selbst gegen Island.
Update 18.25 Uhr: Vor Achtelfinale Italien-Spanien: Fehlalarm in St. Denis
Erneut hat ein Fehlalarm vor einem EM-Spiel in St. Denis kurzzeitig für Aufregung gesorgt. Wie die französische Polizei bestätigte, wurde vor dem Achtelfinale zwischen Italien und England am Montag ein »verdächtigtes Paket« auf einem Motorroller mit einem gezielten Wasserstrahl zerstört. Sprengstoff wurde nicht gefunden.
Update 17.00 Uhr: Rumänien sucht Trainer für WM-Qualifikation - Iordanescu tritt zum dritten Mal ab Das rumänische Fußball-Nationalteam wird nicht mit Anghel Iordanescu als Trainer in die WM-Qualifikation gehen. Der Vertrag mit dem 66 Jahre alten Coach wird nach dem EM-Vorrundenaus nicht verlängert, bis zum Ende des laufenden Turniers soll ein Nachfolger bekanntgegeben werden. Dies gab Verbandspräsident Razvan Burleanu am Montag bekannt. »Wir sind offen für einen ausländischen oder einen rumänischen Coach«, sagte er. Wichtig sei, dass der neue Trainer mehr als zehn Jahre Erfahrung und Trophäen gewonnen habe und motiviert sei, das Nationalteam erstmals seit 20 Jahren wieder zu einer WM zu führen. Für Routinier Iordanescu endet damit die dritte Amtszeit seiner Karriere als Nationaltrainer.
Bei der Europameisterschaft beginnt jetzt die Zeit des Pokerns, Kleinigkeiten entscheiden fortan über Sieg und Niederlage. Favoriten wie Deutschland (3:0 gegen die Slowakei), Belgien (4:0 gegen Ungarn) oder Frankreich (2:1 gegen Irland) haben ihren Rhythmus gefunden und setzen sich meist mehr, mal etwas weniger souverän durch. Und diese Spitzenteams kennen sich in- und auswendig. Da kann man dem Gegner schon mal ein paar Rätsel für die Spielvorbereitung mitgeben.
Bisher war Polens Auswahl stets nach der EM-Gruppenphase ausgeschieden. Nach dem 5:4 im Elfmeterschießen gegen die Schweiz kann sie optimistisch auf das Viertelfinale gegen Portugal blicken. Jakub Blaszczykowski hat nach dem Spiel beinahe euphorisch geklungen - jedenfalls für seine sonst eher ruhigen Verhältnisse. Kein Wunder: Er ist Polens Turnierversicherung.
So sehr das Fußballspiel oft an den Toren hängt – so oft krankt es doch an den Fouls, wie am Sonnabend Robert Lewandowskis ein ums andere Mal schmerzverzerrte Miene zeigte: Die Erotik des Spiels verunglückt allzu oft an der Neurotik des Fouls. Der aktuelle Fußball lässt die Körperverletzung als Kollateralschaden durchgehen. Fein ist das nicht und gesund schon gar nicht. Aber zweifellos ist es sehr lebensnah. Und doch ist diese Grobheit keine archaische Größe, kein natürlicher Tatbestand, sondern nur vor einem bestimmten kulturellen Hintergrund entzifferbar. Der gesellschaftliche Trieb der Konkurrenz besagt, dass in ihr alles erlaubt und möglich ist, wenn es irgendwie zum Ziel führt.
Aber wichtig ist immer noch auf dem Platz – besonders wenn der eigene Nachwuchs spielt. Unser Kollege Jirka Grahl hat seinen Filius jetzt im Fußballverein angemeldet. Dort lernt er schießen, dribbeln, passen – aber Entscheidendes hat er auch schon bei dieser EM gelernt. Vor dem Fernseher.
Nur wer öffentliche Verkehrsmittel nutzt, lernt eine Stadt richtig kennen. Das gilt auch für die EM, bei der man nirgendwo ahnungslosere Gespräche belauschen kann als in der Metro. Was psychoanalytisch begabte Pariserinnen über Fans glauben - glauben, nicht wissen …
Wer spielt heute gegen wen?
Bei der Fußball-Europameisterschaft werden an diesem Montag die letzten beiden Tickets für das Viertelfinale vergeben. Zunächst kommt es um 18 Uhr in Saint-Denis zum Topduell zwischen Italien und Titelverteidiger Spanien. Es ist die Revanche für das Endspiel von 2012, das die Iberer deutlich mit 4:0 gewannen. In Nizza treffen um 21 Uhr England und EM-Neuling Island aufeinander. Beide Teams standen sich bisher überhaupt erst zweimal gegenüber, zuletzt 2004. Damals siegte England klar mit 6:1. Der Sieger dieser Partie bekommt es im Viertelfinale mit Gastgeber Frankreich zu tun.
EM-Splitter
Jetzt wird in Frankreich Geld verdient – auch wenn es schon das gesamte Turnier hauptsächlich darum geht. Der Einzug in das EM-Viertelfinale macht sich für die deutschen Nationalspieler und den Deutschen Fußball-Bund (DFB) auch finanziell bezahlt. Kapitän Bastian Schweinsteiger und seine 22 Teamkollegen haben sich mit dem 3:0 im Achtelfinale gegen die Slowakei eine erste Erfolgsprämie in Höhe von 50 000 Euro pro Mann gesichert. Dieser Betrag könnte bis zur Titelprämie von 300 000 Euro anwachsen. Diese Höchstsumme hatten die deutschen Weltmeister auch 2014 für ihren Triumph in Brasilien kassiert. Der DFB steigerte seine EM-Einnahmen mit der Viertelfinalteilnahme auf bereits 14,5 Millionen Euro.
Für den Gruppensieg und das Achtelfinale hatten die 23 deutschen Spieler noch keine Prämien erhalten. Eine Halbfinalteilnahme würde der DFB mit 100 000 Euro belohnen. 150 000 Euro würden als Trostpflaster im Falle einer Finalniederlage am 10. Juli im Stade de France auf die Konten der 23 EM-Spieler fließen.
Wer oder was fehlt?
Karten kloppen, Tischtennis, mal ein Bootsausflug, notfalls ein Buch in die Hand nehmen. Keine Spielkonsole, kein Smartphone, keine 87 TV-Programme. Nur verständlich, dass die Trainer in den 70er, 80er und 90er Jahren bei Turnieren kaum etwas mehr fürchteten als einen Lagerkoller. Heutzutage sind die Fußball-Stars zwischen den Spielen und Trainingseinheiten schon gut damit beschäftigt, ihre sozialen Netzwerke zu pflegen. Und ansonsten stehen bei der Europameisterschaft in Frankreich Golfen, Snooker und am Pool abhängen hoch im Kurs. Und immer noch Bootsausflüge.
Kulturprogramm ist eher selten angesagt. Immerhin nahmen die Rumänen nach ihrem Ausscheiden auch die EM-Erinnerung an einen Ausflug zum Schloss Chantilly mit. Die Engländer spielen mit Leidenschaft Golf. Im weißen Polo-Shirt mit den drei Löwen auf der Brust stapfte Kapitän Wayne Rooney über die Grüns im Club du Lys Chantilly - und musste dabei am freien Tag auch mal den Ball in den umliegenden Wäldern suchen. Peinlicherweise wurde er dabei erwischt, wie er in die Büsche pinkelte. Agenturen/nd
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