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»Die brauchen die Playstation-Generation«

Gewerkschafter Koen Keehnen über die drohende Automatisierung in den Seehäfen und die Solidarität unter Dockern

  • Lesedauer: 7 Min.
Sie fühlen sich wie eine große Familie: Die Dockers von Rotterdam regeln alles was am Hafen erledigt werden muss. Doch auch hier verändert die Automatisierung ihre Arbeit. Ein Gespräch mit einem waschechten Docker.

Koen Keehnen, 53, ist Docker bei Uniport, einem kleineren City Terminal in Rotterdam mit rund 250 Beschäftigten. Er arbeitet als stellvertretender Schichtführer – die meiste Zeit. Weil in einem Hafen so allerhand zu tun ist, kontrolliert er auch mal das Löschen der Schiffsladungen oder macht andere Dinge. Er ist Mitglied der niederländischen Gewerkschaft FNV Havens und vertritt dort die Hafenarbeiter von Rotterdam, Amsterdam und Vlissingen. Mit Koen Keehnen sprachen Regina Stötzel und Stefanie Kron.

Ihr Kollege trägt dieses T-Shirt mit der Aufschrift »Proud to be a docker«. Sind Sie auch stolz, Docker zu sein?
Ja, das bin ich. Ich arbeite jetzt über 30 Jahre in den Docks, und das Gefühl ist gewachsen mit der Zeit. Manchmal bist du stolz, manchmal enttäuscht, aber meistens bist du stolz. Weil du zusammen mit den anderen etwas schaffst, was in anderen Sektoren nicht möglich ist.

In welcher Hinsicht?
Dockers united – sowas gibt es bei Lebensmittelhändlern nicht. Andere Sportart. Und zwar überall, in Holland, in Amerika, in Australien und im Rest der Welt.

Also sind Docker so eine Art internationale Familie?
Genau.

Das scheint der letzte Rest von Hafenromantik zu sein. Alles andere gibt es nicht mehr.
Ja, und in Amerika oder Australien ist das noch stärker als in Holland. Die sagen Bruder und Schwester zueinander, das machen wir nicht. Wir sagen Genosse.

Docker bedeutet also meist auch, Gewerkschafter zu sein?
Für mich ja. Und für 80 Prozent meiner Kollegen.

Uniport hat 250 Mitarbeiter. Wie viele richtige Hafenarbeiter sind darunter?
Ungefähr 180. Dann gibt es noch die technische Abteilung, das sind 20 oder 30. Der Rest ist Wasserkopf. (lacht)

Wie meinen Sie das?
Etwas, das kein Mensch braucht, aber trotzdem da ist. Alles im Büro. Die Schichtplanung, die Versandabteilung …

Was ist mit den 20 Prozent, die nicht organisiert sind?
Schwieriges Thema. Die Neuen, die Jungen, die muss man anlernen. Man muss sie abholen und ihnen alles über die Hafenarbeit beibringen. Man muss ihnen die ganze Geschichte erzählen und wo ihr Geld herkommt. Das kriegst du nicht, weil du ein netter Kerl bist.

Haben Sie eine Strategie, um die jungen Leute zu organisieren?
Na klar. Ich hab einen Kollegen, der ist so groß (zeigt einen Kopf über sich) und sagt: Du trittst in die Gewerkschaft ein oder ich mach dich platt … Nein, im Ernst: Du musst viel Zeit investieren. Du musst denen klar machen, was es bedeutet, Docker zu sein. Das ist das Wichtigste. Es ist hier wie in Deutschland oder sonstwo: Jeder macht sein Ding. Solidarität ist nicht mehr selbstverständlich. Du musst sie herstellen, du musst für sie kämpfen, du musst jeden Tag daran arbeiten. Und das ist schwierig mit den jungen Leuten.

In den Häfen arbeiten immer mehr Subunternehmen und Leiharbeiter. Haben Sie Kontakt mit solchen Leuten?
Nein, weil Uniport keine Leiharbeiter beschäftigt. Die Neuen bekommen einen Jahresvertrag, und wenn sie sich gut anstellen, wird der Vertrag verlängert. Wenn nicht, müssen sie gehen. Wir holen nur Leute rein, um die Container festzumachen. Aber mit denen sitzen wir in den Pausen im gleichen Raum. Das sind andere Leute, nicht von Uniport. Es ist schwierig, Kollegen auf Zeit für die Gewerkschaft zu gewinnen.

Was sind derzeit Ihre wichtigsten Kämpfe?
Wir sind ein City Terminal und haben uns spezialisiert. Aber wenn das für die großen Reedereien nicht speziell genug ist, dann sagen die, unsere Schiffe gehen zur Maasvlakte II. Und wir haben keine Arbeit mehr. Wir können keine großen Schiffe abfertigen, nur kleine. Wenn es für die kleinen Schiffe keine Aufträge mehr gibt, weil alles auf die großen geht, dann gibt es keine Arbeit mehr für uns. Das wird auf uns zukommen, fürchte ich.

Also ist durch Maasvlakte II die Konkurrenz nochmal erheblich größer geworden, für Uniport und generell im Hafen?
Konkurrenz ist das falsche Wort, weil wir nicht mit denen konkurrieren können.

Nur weil ihr nette Kerle seid …
Nicht nur, weil wir nette Kerle und ziemlich flexibel sind. Es ist der Vertrieb von Tiefkühlwaren und Fleisch mit Kühlcontainern, für die Stadt eine zentrale Sache. Und die Menschen sind eine Besonderheit. Weil wir keine Roboter haben, können bei uns Menschen einspringen, da sind wir flexibler als Maasvlakte. Bloß zählt das für die großen Reedereien nicht. Wenn die entscheiden, zur Maasvlakte zu gehen, haben wir keine Arbeit mehr.

Wie sicher – oder unsicher – ist also Ihr Job?
Unsicher. Am 5. Juli verhandeln wir mit den Terminalbetreibern und der Hafenbehörde über Arbeitsplatzsicherheit bis 2020. Okay, das ist in vier Jahren. Und dann?

Nach dem, was wir gehört haben, wird auch bei einem automatisierten Terminal jeder Kran von einer Person bedient – nur dass dieser Mensch nicht mehr auf dem Kran sitzt, sondern am Joystick im Büro. Warum ist dann die Bedrohung so groß?
Es werden immer weniger Menschen. Der Plan beim RWG-Terminal ist, dass eine Person zwei oder drei Kräne aus der Ferne bedienen soll. Der Mensch sitzt dann an einem Schreibtisch – ich war dort – hat ein paar Bildschirme vor sich und macht hier dies und da das. Es funktioniert zwar noch nicht, aber so soll es aussehen.

Der Druck muss enorm sein für diese Leute.
Die brauchen die Playstation-Generation. Mein Sohn kann sowas 20 Stunden lang machen, wenn er will. Hol ihn von der Playstation weg und bezahl ihn dafür.

Wie sieht es im Moment aus mit der Arbeitsbelastung? Gibt es bei Ihnen Docker mit Burn-out oder dergleichen?
In meinem Unternehmen nicht. Mein Boss sagt, Arbeitsstress gibt es nicht, man kann immer nur einen Container auf einmal abfertigen.

Guter Boss!
Das sagt er so, aber er meint was anderes. (lacht) Allerdings, was mir Sorgen macht: Es gibt ein Kamerasystem für das Auf- und Abladen von Containern. Das kann man auch bedienen, wenn man Probleme mit der Schulter oder mit dem Nacken hat. Aber wenn der Job verschwindet, was macht dann der Kollege mit den Schulterproblemen? Der sitzt zu Hause und muss trotzdem bezahlt werden – und dann wollen sie ihn loswerden. Im Moment können sie sagen, du machst jetzt für ein paar Monate die Kontrolle und wenn es dir besser geht, kommst du wieder auf den Kran. Die Automatisierung nimmt die Jobs weg, bei denen man alt werden kann.

Glauben Sie, die Docker – auch wenn sie nur Container festmachen – sind sich bewusst, an was für einem wichtigen Punkt der Lieferketten sie arbeiten?
Nicht genug. Vor allem die Lashing Gangs nicht. Ohne die kannst du weder entladen noch beladen. Also haben sie viel Macht, bloß wissen sie es nicht. Das ist ein Problem und daran müssen wir arbeiten.

Aber wer in der ITF organisiert ist, weiß von seiner Macht?
Der weiß das, aber in den Unternehmen ist viel zu tun. Ich kann mit meinen Kollegen sprechen. Die ITF kann das zwar auch, aber mir glauben die eher als der ITF.

Sprechen Sie im Namen der ITF mit Ihren Kollegen?
Nein, für die FNV.Weil es zuerst um die Docker geht. Es gibt die Politik, es gibt die Unternehmer, aber erstmal beschäftigen wir uns mit Uniport und den Hafenarbeitern in Rotterdam. Dann kommt alles andere. Das Wichtigste ist, die Leute in deinem Unternehmen zu organisieren. Wenn du in deinem Unternehmen keine Macht hast, kannst du warten, dass in anderen Unternehmen was passiert. Aber wenn du in anderen Unternehmen keine Macht hast, hast du gar keine. Bei Uniport ist es leicht für mich, mit den Kollegen zu sprechen. Wir haben alle zusammen eine Kantine. Ich hab es zwar mit fünf Schichten zu tun, aber ich kann mit allen reden. Die großen Unternehmen haben eine Kantine hier und eine da, und mit allen zu reden dauert einen Monat oder noch länger. Hier ist das einfacher. Aber die Leute müssen dir auch vertrauen. Erzähl ihnen nie Mist, das merken die sofort. Und dann bist du am Ende.

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