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Raser und Rücksichtnehmer

Radfahrer in der Fußgängerzone? Im hessischen Offenburg wird dies derzeit getestet

  • Elena Metz, Offenbach
  • Lesedauer: 3 Min.
Funktioniert ein Miteinander von Fußgängern und Radfahrern? In Offenbach (Hessen) läuft derzeit ein interessanter Test: In der dortigen Fußgängerzone haben Drahtesel seit einem Monat freie Fahrt.

Ja, Kritik habe er schon zu hören bekommen, erzählt Panagiotis Tsingirdaklis. Gerade schwingt sich der 40-Jährige in der Offenbacher Fußgängerzone auf sein schwarz-blaues Mountainbike. Er kauft mit dem Rad ein, fährt in die Bücherei. Dass er per Drahtesel in der Fußgängerzone unterwegs ist, gefällt nicht jedem - seit Ende Mai ist das in der hessischen Stadt am Main aber durchgängig erlaubt, zunächst für eine Testphase von einem Jahr.

Das Thema polarisiert, in Hessens Städten gibt es unterschiedliche Regelungen. Ein paar Kilometer weiter in Frankfurt am Main ist das Radeln in den großen Fußgängerzonen - etwa auf der Zeil - schon seit 25 Jahren erlaubte Praxis. Andere Städte wiederum schränken den Radverkehr ausdrücklich ein. In Kassel etwa ist die Fußgängerzone zu den Hauptgeschäftszeiten für Radfahrer tabu.

»Ich fahre langsam, und wenn sich jemand beschwert, sage ich auch, dass das hier erlaubt ist«, erklärt Radler Tsingirdaklis in Offenbach. Matthias Demling (55) sieht die Situation aus einem anderen Blickwinkel, er sitzt im Rollstuhl. »Ich bin klein, die Radler schauen auf eine andere Höhe«, erklärt er. »Ich kann schlecht ausweichen«. Ihm wäre es lieber, wenn die Radfahrer schieben würden.

Bei der Stadt Offenbach sind seit Beginn des Tests noch keine Beschwerden eingegangen. »Es blieb ruhiger als erwartet«, sagt der städtische Radverkehrsbeauftragte Rolf Schmidt. Gleichwohl gebe es aber immer kontroverse Meinungen in der Bevölkerung zu dem Thema.

Die 55-jährige Katja Herms (55) schließt ihr Fahrrad in der Offenbacher Fußgängerzone an einen Baum. »Solange man nicht wie ein Verrückter rumfährt, finde ich das okay«, sagt die Anwohnerin zu der Regelung - anders als Sead Haznador (32), der seine 16 Monate alte Tochter im Buggy vor sich her schiebt. Dass hier Fahrradfahrer fahren dürfen, sei eine Frechheit. »Es laufen viele Kinder herum. Vielen Jugendlichen ist das egal, die rasen hier einfach durch.«

Stellt sich die Frage, ob Radeln in Fußgängerzonen die Unfallgefahr erhöht. In Frankfurt am Main habe die Polizei bei einer Auswertung von 2010 bis 2015 insgesamt nur elf Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern aufgenommen, sagt Ingmar Boller, Sprecher des Verkehrsdezernats. »Im Jahr 2015 gab es trotz des hohen Betriebs nur zwei Unfälle. Deshalb sehen wir keinen Grund, die Regelung zu ändern.« Kassel hat sein Fahrradfahrverbot in der Fußgängerzone zu den Nebenzeiten dagegen in diesem Jahr noch zeitlich ausgeweitet. Man habe sich dazu entschieden, obwohl es zwischen 2011 und 2015 nur einen Unfall während der ursprünglich für Fahrradfahrer freigegeben Zeit von 19 bis 11 Uhr gegeben habe, sagt Stadtsprecher Ingo Happel-Emrich.

In Darmstadt ist die Fußgängerzone in der Innenstadt in Bereiche eingeteilt: Im innersten ist Radfahren verboten, einige Straßen im Umkreis sind frei, weitere von 21 bis 9 Uhr befahrbar. Eine gemischte Regelung gibt es auch in Wiesbaden.

Welche Position die Stadt Offenbach bezieht, wird sich nach dem Ende der einjährigen Testphase zeigen, die von der Fachhochschule Erfurt wissenschaftlich begleitet wird. Der Radverkehrsbeauftragte Schmidt ist gespannt auf die Ergebnisse und sagt: »Danach schauen wir mal.« dpa/nd

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