- Politik
- Kroatien vor der Wahl
Streitthema Ukraine-Krieg
Bei der Präsidentschaftswahl in Kroatien kämpfen die politischen Lager um eine wichtige Symbolfigur
»Es wird eine Stichwahl zwischen Zoran Milanović und Dragan Primorac geben, die dann Milanović gewinnen wird.« Mit dieser Prognose zu den Präsidentschaftswahlen in Kroatien sind sich die beiden Journalisten Ivan Kolar und Ante Ljubičić einig. Auch die Umfragewerte sprechen eine klare Sprache: Danach kann von den insgesamt acht Kandidaten der amtierende Präsident Milanović mit rund 35 Prozent der Stimmen am 29. Dezember mit einem Wahlsieg rechnen. Er wird von der größten Oppositionspartei, der sozialdemokratischen SDP, unterstützt. Der von der regierenden rechtskonservativen HDZ unterstützte Kandidat Dragan Primorac dürfte dann mit rund 27 Prozent sein Gegner in der folgenden Stichwahl am 12. Januar sein.
Der Wahlkampf darum, wer das höchste Amt für fünf Jahre innehat, wird dennoch hitzig geführt. Der Präsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und vertritt Kroatien im In- und Ausland. Für den Abgeordneten Damir Bakić ist der Präsident eine »reine Repräsentationsfigur, ein Symbol«. Der Staatschef kann keine Gesetze einbringen und hat auch kein Vetorecht. Trotzdem besitzt er einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die politische Debatte in Kroatien, denn er kann Themen im Parlament und bei Kabinettssitzungen einbringen.
Diese diskursive Macht nutzte die vergangenen fünf Jahre Milanović, um sich im Streit mit Premierminister Andrej Plenković von der HDZ zu profilieren. Ursprünglich selbst Sozialdemokrat, verließ er die Partei, nachdem die SDP nach seiner Zeit als Regierungschef 2015 abgewählt wurde. 2019 betrat er dann als Präsidentschaftskandidat wieder die politische Bühne.
Milanović prangerte die Korruption der HDZ an, schuf aber auch eine Art Querfront zur Corona-skeptischen Rechten. Emotionale Aussagen ersetzen konstruktive Vorschläge. Nachgesagt werden ihm Verbindungen zu russischen Oligarchen in der Ölindustrie. Der russische Krieg gegen die Ukraine ist das größte Streitthema zwischen Milanović und Premierminister Plenković. Entgegen dem Regierungskurs kritisiert Milanović die Unterstützung der Ukraine durch die EU und die Nato und bezeichnet sie als verdeckte Kriegsbeteiligung.
Dragan Primorac tritt vor allem mit dem Versprechen an, wieder Mäßigung und Anstand in den politischen Diskurs zu bringen. Er selbst ist bekannt als Minister für die HDZ, der von 2003 bis 2009 im Bildungsbereich einiges erreicht hat. Doch im zweiten Wahlgang kann er voraussichtlich dennoch nicht gegen Milanović gewinnen, da der Präsident die meisten Stimmen aus den Lagern der anderen Kandidaten in der Stichwahl auf sich vereinen wird.
Das liegt an einer klaren Polarisierung in der kroatischen Politik, die der Aktivist Jan Bakić auf den Punkt bringt: »Alle hassen die HDZ, außer der HDZ selbst«. Sowohl die Anhänger der rechtspopulistischen und national-konservativen Kandidatin Marija Selak Raspudić, die laut Umfragen mit zwölf Prozent auf dem dritten Platz liegt, ebenso wie die sieben Prozent für die Kandidatin Ivana Kekin von der linksgrünen Partei »Možemo!« werden am 12. Januar voraussichtlich an den von der Sozialdemokratie unterstützten Milanović gehen.
Im Fadenkreuz politischer Angriffe steht besonders Možemo!», da der laufende Wahlkampf auch dazu genutzt wird, gegen die in der Hauptstadt regierende links-grüne Partei Front zu machen. Im Mai steht in Zagreb eine Wahl an.
Der Präsidentschaftswahlkampf ist stark von aktuellen politischen Krisen und Skandalen geprägt. Im November wurde Vili Beroš, Gesundheitsminister von der HDZ, wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet, bis Anfang Dezember tobte ein Streit um die Ernennung der Verfassungsrichter, die die SDP bis zur letzten Minute hinausgezögert hatte. Hinzu kommen Diskussionen um die politische Verantwortung für den Amoklauf an einer Zagreber Schule kurz vor Weihnachten.
Weder der bewusst auf die ruhige Jahreszeit gelegte Wahltermin noch das weitestgehend vorhersehbare Wahlergebnis haben bewirkt, dass der Wahlkampf weniger aggressiv geführt wird. Trotz der symbolischen Funktion des Staatschefs behaupten alle Seiten, dass ihr Kandidat diese Rolle doch für mehr nutzen könnte. Diese Einstellung klingt auch bei dem Abgeordneten von «Možemo!», Damir Bakić, an: «Ivana Kekin würde einen echten Wandel bringen, weil sie wirklich aktiv Themen setzen würde.»
Nüchtern betrachtet steht Kroatien jedoch vor allem vor einer symbolischen Wahl. Zwischen einem populistischen Präsidenten, der sich regelmäßig mit der Regierungspartei anlegt, oder einem versprochenen zurückhaltenderen Politikstil, der die rechtskonservative Politik der HDZ zementieren würde, die wegen Korruptionsskandalen, dem Abbau demokratischer Rechte und Angriffe auf die Pressefreiheit in der Kritik steht.
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